REUTLINGEN. Die Pressefreiheit ist in Gefahr. Auch in Deutschland. Hierzulande kommt die Bedrohung nicht von einem autoritären Regime, das kritische Medien schikaniert, aushungert und verbietet. Und auch eher am Rande von extremen Rechten oder Linken, die Gewalt ausüben gegen Reporter. Die größte Herausforderung stellt stattdessen die Digitalisierung dar: Sie verändert die Spielregeln, wie Öffentlichkeit und Wirtschaftlichkeit funktionieren. In der virtuellen Welt ringt der Journalismus um seinen Platz.
Die öffentliche Meinung wird dominiert von den sozialen Medien. Dort kann sich jeder zu Wort melden. Das verhilft Minderheiten, die früher nicht gehört wurden, zu einer Stimme. Dennoch sind extreme, aggressive, laute Positionen im Vorteil. Sie werden durch die Algorithmen schneller und weiter verbreitet. In der Folge machen sich radikale Kräfte überproportional breit, übertönen moderate Haltungen und verzerren das Stimmungsbild. Diese digitale Logik bringt klassische Medien in die Zwickmühle: Präsentieren sie ihre Themen plakativ in der Hoffnung auf mehr Clicks? Oder bleiben sie seriös und riskieren Sichtbarkeit? Der Spagat ist schwierig.
Zumal die Presse wirtschaftlich unter Druck steht. Seit Jahren sinken die Einnahmen durch Abonnements und Anzeigen. Die Print-Auflagen schrumpfen, das Online-Geschäft trägt sich oft noch nicht selbst. Das zwingt viele Verlage zu Einsparungen beim Personal. Was wiederum die redaktionelle Arbeit erschwert. Künstliche Intelligenz bedroht das Finanzierungsmodell der Medien zusätzlich. Die KI erstellt aus Netzinhalten gratis Zusammenfassungen - und macht damit kostenpflichtigen journalistischen Angeboten Konkurrenz. In der Diskussion ist deshalb eine finanzielle Unterstützung der Presse durch den Staat - sei es durch eine geringere Mehrwertsteuer oder einen Zusteller-Zuschlag. Dann bräuchte es allerdings Vorkehrungen, um journalistische Inhalte vor staatlichem Zugriff zu schützen. Nur so können die Medien ihrer Rolle als vierte Gewalt weiter gerecht bleiben. (GEA)