REUTLINGEN. Der Auftritt des US-Vizepräsidenten J. D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) ist ein Schlag ins Gesicht der (einstigen?) Verbündeten aus Europa. Wer auf eine Präzisierung der Haltung der neuen US-Administration zu den größten internationalen sicherheitspolitischen Brandherden gehofft hatte, wurde bitter enttäuscht. Die Ukraine, den Nahostkonflikt und Taiwan erwähnte Vance mit keinem einzigen Wort. In den Augen der Trump-Regierung geht eine Bedrohung nicht von Russland, dem Iran oder von China aus, sondern von der Abkehr der Europäer von den »gemeinsamen demokratischen Werten«.
Verdrehung der Tatsachen
In Wirklichkeit sind es jedoch die USA, die sich in Rekordgeschwindigkeit von den Werten abwenden, die einst der »Westlichen Welt« gemeinsam waren. Die Trump-Regierung schränkt bereits die Rechte von Minderheiten ein, stellt die territoriale Integrität anderer Staaten in Frage und kehrt internationalen Institutionen und dem Freihandel der Rücken zu. Stattdessen betreibt sie eine rücksichtslose isolationistische Machtpolitik, die ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedacht ist. Das einzige Feigenblatt, das Vance in Bezug auf das alte Wertesystem vor sich herträgt ist die Meinungsfreiheit. Nach Lesart der Trump-Regierung dient diese jedoch in erster Linie der Legitimation von Falschinformationen und der Einschüchterung und Bedrohung von Andersdenkenden. Eine Verhöhnung des ehemals gemeinsamen Grundrechts. Und eine Verdrehung der Tatsachen, der der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius mit deutlichen Worten entgegengetreten ist. Gut so!
Vergiftetes Angebot
Der chinesische Außenminister Wang Yi erwiderte, China sei bereit, mehr Verantwortung für ein multilaterales internationales Regelsystem zu übernehmen, aus dem sich die USA gerade mit Pauken und Trompeten verabschieden. Das Angebot zur Kooperation, das er dabei den verstoßenen Europäern macht, ist jedoch vergiftet. Es ist letztlich das Angebot, vom Vasall der USA zum Vasall von China zu werden. Den Umgang auf Augenhöhe mit den beiden Großmächten wird sich Europa erst erkämpfen müssen.