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Aktuell Bundespräsident

Leipziger Ruck-Rede

Auf der Buchmesse hält Frank-Walter Steinmeier eine Ansprache, die Optimismus ausstrahlt

Ein gut gelaunter Bundespräsident (links) auf der Buchmesse. Neben ihm Christian Jünger, Geschäftsführer des Rowohlt-Verlages.
Ein gut gelaunter Bundespräsident (links) auf der Buchmesse. Neben ihm Christian Jünger, Geschäftsführer des Rowohlt-Verlages. FOTO: WOITAS/DPA
Ein gut gelaunter Bundespräsident (links) auf der Buchmesse. Neben ihm Christian Jünger, Geschäftsführer des Rowohlt-Verlages. FOTO: WOITAS/DPA

BERLIN. Für ihn selbst hat es als Autor zur Leipziger Buchmesse nicht ganz gereicht: Im April soll Medienberichten zufolge ein Buch von Frank-Walter Steinmeier erscheinen, es geht da auf einigen Dutzend Seiten um das, was Deutschland zusammenhält. Ein Bundespräsident braucht aber kein Buch, um eine Buchmesse zu beehren und eine »Leipziger Rede« zu halten, wie es das Staatsoberhaupt am Donnerstagabend zum Start der viertägigen Veranstaltung getan hat. Zumal das eigene Werk wie auch die Rede auf wichtigen historischen Ereignissen fußen: 75 Jahre Grundgesetz und 35 Jahre Friedliche Revolution sind in diesem Jahr zu feiern. Über Steinmeiers Buch ist noch wenig bekannt, folgt es der durchaus kontroversen Linie seiner »Leipziger Rede« ist eine spannende Lektüre zu erwarten.

Im April 1997 hielt der damalige Bundespräsident Roman Herzog unter dem Titel »Aufbruch ins 21. Jahrhundert« eine viel beachtete Ansprache, die als »Ruck-Rede« in die Geschichtsbücher einging und das Format der »Berliner Rede« begründete. Steinmeiers »Leipziger Rede« fügt sich in diese Tradition kritischer Bestandsaufnahmen ein, sie dürfte in den nächsten Wochen für einigen Gesprächsstoff sorgen.

»Ich sehe ein Land, in dem die Menschen anpacken«

Er sehe, erklärte Steinmeier unter Verweis auf seine zahlreichen Reisen durch Deutschland, »ein Land, in dem die Menschen anpacken, sich engagieren, sich nicht entmutigen lassen von den enormen Aufgaben, vor denen sie, vor denen wir stehen«. Er sehe aber auch, fuhr der Bundespräsident laut vorab veröffentlichtem Redemanuskript fort, »ein Land, in dem bei vielen Menschen die Unsicherheit wächst, die Erschöpfung durch Dauerkrisen zunimmt und auch die Sehnsucht nach scheinbar einfachen Lösungen stärker wird«.

Deutschland sei eben auch ein Land, »in dem aufgebrachte Landwirte und Spediteure mit Traktoren und Lastwagen die Straßen blockieren«. Es gebe viele unversöhnliche und schrille Debatten, die durch Hass und Hetze vergiftet würden, erklärte der ehemalige Außenminister an einem Ort, an dem Kanzler Olaf Scholz genau das am Abend zuvor erfahren hatte. Die Rede des SPD-Politikers zur Eröffnungsfeier der Buchmesse wurde durch lautstarke Zwischenrufe gestört, was dem Regierungschef Anlass zu der Bemerkung gab, dass es falsch sei, »Demokratie mit lautem Brüllen zu verwechseln«.

Während sich der Protest bei der Scholz-Rede gegen die Israel-Politik der Regierung richtete, nahm Steinmeier einen seit Jahren währenden innerdeutschen Konflikt auf. »Es steht außer Frage, dass die Folgen von Mauerfall und Wiedervereinigung vor allem die Menschen hier im Osten hart getroffen haben. Viele verloren ihre Arbeit, viele mussten umschulen, viele mussten ganz von vorn anfangen. Und viele Junge gingen weg: in den Westen. In manchen Regionen fehlt seither eine ganze Generation«, sagte er und ergänzte. »Im Westen dachten hingegen viele, mit der Wiedervereinigung würde sich gar nichts ändern und waren wohl auch zu sicher, dass unsere Demokratie auf ewig garantiert sei.«

»Viele im Osten mussten ganz von vorn anfangen«

Und was hält Deutschland nun zusammen? Steinmeiers Buch, dessen Verkaufserlös übrigens in den Bundeshaushalt fließen soll, wird erst im April eine Antwort darauf geben. Seine »Leipziger Rede« nahm sie im Grund genommen aber schon vorweg. Nicht die Extremisten, sondern die Demokratinnen und Demokraten seien die überwältigende Mehrheit in unserem Land, betonte Steinmeier und erklärte: »Freie, selbstbewusste Menschen, die gemeinschaftsbewusst handeln: Das ist es, was unsere Demokratie gerade heute braucht.« (GEA)