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Lage in der Koalition: Lindner ist kein Lambsdorff

Christian Lindner
Lindners Papier hatte die Krise verschärft. (Archivbild) Foto: Anna Ross/DPA
Lindners Papier hatte die Krise verschärft. (Archivbild)
Foto: Anna Ross/DPA

Nein, längst nicht alles ist falsch, was Christian Lindner in seinem Thesenpapier für eine sogenannte »Wirtschaftswende« aufgeschrieben hat. Bürokratie-Stopp und niedrigere Unternehmenssteuern – natürlich kann das helfen, deutsche Firmen wettbewerbsfähiger zu machen. Das gleiche gilt für die Anregung, beim Klimaschutz künftig stärker auf einen Gleichklang mit den europäischen Partnern zu setzen. Und sogar die Forderung nach Streichung des Solidaritätszuschlags, diesen etwas angestaubten FDP-Kassenschlager, darf man Lindner durchgehen lassen, immerhin ist der Mann ja auch Parteichef.

Das Problem des Papiers ist weniger der Inhalt als die Frage, was Lindner damit bezweckt. Will er einfach die Vorstöße von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ergänzen, der eine Art Prämie für Unternehmensinvestitionen ins Spiel gebracht hat? Dann könnten die beiden sich am Mittwoch beim Koalitionsausschuss mit Kanzler Olaf Scholz darüber beugen und sehen, was in der Ampel machbar ist – und was nicht. Normales Geschäft, zumal in Krisenzeiten für den Standort Deutschland.

Viel spricht allerdings dafür, dass Lindner das Papier zumindest mit dem bedingten Vorsatz geschrieben hat, die Ampelkoalition zu sprengen – entweder, indem die FDP austritt, oder, indem er einen Rauswurf durch den Kanzler provoziert. Allein: Erste Einlassungen, etwa vonseiten des SPD-Chefs Lars Klingbeil, legen nahe, dass Scholz ihm diesen Gefallen nicht tun wird. Warum sollte er auch? Für den Kanzler macht ein vorzeitiges Ende seiner Regierung überhaupt keinen Sinn, zumal angesichts der derzeit dürftigen Umfragewerte seiner Partei.

In Wahrheit landet Lindner mit seinem Papier im strategischen Abseits. SPD und Grüne können einige seiner Ideen diskutieren, andere abmoderieren. Dann steht er wieder da wie zuvor. Oder er wirft hin. Dann geht die FDP in einen Wahlkampf, an dessen Ende völlig unsicher ist, ob sie die Fünf-Prozent-Hürde noch einmal nimmt, oder, wie zuletzt 2013, aus dem Bundestag fliegt. In diesen düsteren Aussichten liegt der entscheidende Unterschied zum sogenannten Lambsdorff-Papier vom September 1982, das in diesen Tagen immer wieder beschworen wird.

1982 konnten die Liberalen die Union damit locken, Helmut Kohl mit Hilfe eines konstruktiven Misstrauensvotums umgehend zum Kanzler zu wählen. Im gegenwärtigen Bundestag sind Union und FDP weit von einer derartigen Mehrheit entfernt. Geschichte wiederholt sich manchmal eben doch nicht.

 

politik@gea.de