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Lage im Jobcenter ist dramatisch

Stuttgarter Amt soll kommendes Jahr 7,4 Millionen Euro weniger bekommen, bräuchte eigentlich aber mehr

Im Jobcenter Stuttgart herrscht Krisenstimmung.  FOTO: DPA/SCHMIDT
Im Jobcenter Stuttgart herrscht Krisenstimmung. FOTO: DPA/SCHMIDT
Im Jobcenter Stuttgart herrscht Krisenstimmung. FOTO: DPA/SCHMIDT

STUTTGART. Seit klar ist, wie viel Geld das städtische Jobcenter im kommenden Jahr vom Bund bekommen soll, herrscht in Stuttgart Krisenstimmung. Wegen der drastischen Kürzungen befinde man sich in einer »absolut dramatischen Situation«, betonte der Leiter des Jobcenters, Jochen Wacker, in der jüngsten Sitzung des Ratsausschusses für Soziales der Stadt Stuttgart. Bürgermeisterin Alexandra Sußmann (Grüne) nannte die vom Bund angekündigte Reduzierung der Mittel »absolut unverantwortlich«.

Nach aktuellem Stand soll das von der Stadt betriebene Jobcenter im kommenden Jahr insgesamt 71,2 Millionen Euro bekommen, das wären 7,4 Millionen Euro, 9,5 Prozent, weniger als in diesem. Was die Sache besonders schwierig macht: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kürzte deutschlandweit vor allem das Verwaltungsbudget der Jobcenter stark.

Liste der Grausamkeiten

Mit weitreichenden Folgen. »Eigentlich bräuchten wir sechs oder sieben Millionen Euro mehr«, sagt Jochen Wacker. Somit benötigt das Jobcenter also eigentlich etwa 85 Millionen Euro im nächsten Jahr. Schließlich seien Mieten, Sachkosten und Personalausgaben gestiegen. Dabei sei die Personalausstattung der Jobcenter ohnehin sehr gering bemessen. Das Vorgehen des Bundes sei ein Skandal, kritisiert der Jobcenter-Chef.

Die drastische Kürzung zwingt die Jobcenter nun, eine Haushaltsumschichtung vorzunehmen und selbst das Eingliederungsbudget stark zu vermindern. Dadurch muss dieses von 30,1 Millionen Euro in diesem Jahr auf nur noch 18,4 Millionen Euro abgebaut werden. Das ist ein Minus von fast 40 Prozent. Man falle bei der Arbeitsförderung von einem hohen Niveau ganz tief runter, macht der Jobcenter-Chef deutlich. »Das ist dramatisch. Wir befinden uns in einer Krise.« Die Planungen, wie man im kommenden Jahr die Eingliederungsmittel verwenden wird, nennt Wacker »Liste der Grausamkeiten«.

So müsse man etwa das Vermittlungsbudget um die Hälfte reduzieren, die Gelder für die Einstiegsqualifikation junger Leute um fast 80 Prozent, in gleichem Maße auch die Eingliederungszuschüsse an Arbeitgeber, um nur einige Beispiele zu nennen. Besonders anschaulich wird das Problem am Beispiel der geförderten Arbeitsgelegenheiten. Diese müsse man von etwa 300 auf nur noch 80 vermindern. Das könnte das Aus bedeuten etwa für das Programm Arbeit statt Drogen. Die sogenannten AGHs in Tafelläden oder in Fahrradservice-Stationen sind ebenso in Gefahr.

Insgesamt sind von den im Jobcenter registrierten rund 30.000 erwerbsfähigen Leistungsbeziehern im Schnitt 2.500 in Fördermaßnahmen. Da viele dieser Projekte von freien Sozialträgern realisiert werden, sieht Jochen Wacker durch die Kürzungen »die gesamte Förderlandschaft bedroht«. In Teilen würde die Trägerstruktur »komplett zerschlagen werden«, sollte sich an den Sparvorgaben des Bundes nichts ändern. Auch Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann fürchtet um die über Jahrzehnte entwickelte Trägerlandschaft. Diese werde sich womöglich »neu aufstellen müssen«.

Auch wenn auf allen politischen Ebenen bundesweit Gespräche laufen, mit dem Ziel, die schlimmsten Folgen doch noch abwenden zu können, muss auch das hiesige Jobcenter mit den vorliegenden Ansätzen planen und Projekte für das kommende Jahr ausschreiben. Auf kommunaler Ebene ist dabei die Frage, ob und in welchem Umfang die Stadt durch eigenes Geld einspringen kann und will. Die Sozialbürgermeisterin machte deutlich, im einen oder anderen Fall, etwa bei den Arbeitsgelegenheiten, werde man »eigene Mittel in die Hand nehmen müssen«. Alexandra Sußmann betonte aber auch: »Wir werden nicht alles mit kommunalen Mitteln kompensieren können.« Im Rat gehen die Meinungen auseinander, in welchem Umfang die Stadt hier überhaupt als Lückenbüßer auftreten soll.

Kommune muss einspringen

»Der Bund verhält sich unverantwortlich. Und wir haben den Schwarzen Peter«, kritisierte die Stadträtin Beate Bulle-Schmid (CDU) die Ampelregierung. Sie fragt: »Womit sollen wir das auffangen?« Petra Rühle von den Grünen sagte, durch die Kürzungen drohe in der Arbeitsförderung die Einstellung ganzer Bereiche. Um einen »Komplettkahlschlag« zu vermeiden, müsse die Kommune einen Ausgleich schaffen. Maria Hackl (SPD) hofft, dass die Kürzungen zuletzt »doch nicht so drastisch ausfallen werden«. Andernfalls, so befürchtet die Sozialdemokratin, wären Programme wie Arbeit statt Drogen dann »futsch«. Johanna Tiarks vom Linksbündnis hält die angekündigten Kürzungen für »absurd und nicht nachvollziehbar«. Sie ist der Auffassung, dass die Kommune mit eigenem Geld in die Bresche springen muss. (GEA)