HAMBURG. Geschichte, sagte Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) in Anlehnung an den alten Marx einmal, wiederholt sich nicht. Allenfalls als Farce. Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob das so zutrifft. Was sich jedenfalls gerade wiederholt: Wie Anfang der 2000er-Jahre stagniert die deutsche Wirtschaft, die Arbeitslosigkeit steigt. Als Reaktion stellte Merkels Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) im März 2003 die »Agenda 2010« vor. Heute ist es der wahrscheinlich nächste Kanzler Friedrich Merz, der angesichts schlechter Fundamentaldaten eine »Agenda 2030« präsentiert. »Neuen Wohlstand für Deutschland« versprechen der Parteivorsitzende und seine CDU.
Der zwölfseitige Entwurf, er liegt unserer Redaktion vor, soll auf der Klausurtagung des Parteivorstands in Hamburg beschlossen werden. Eines der Kernversprechen: Wachstumsraten von mindestens zwei Prozent. Das Ziel ist ambitioniert. Die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr mit einem Plus von 1,1 sowie von 1,6 Prozent in 2026. Die Bundesbank erwartet im nächsten Jahr lediglich 0,8 Prozent. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, nannte das Zwei-Prozent-Ziel »illusorisch«.
Aber im Wahlkampf sind große Ziele wohl erlaubt. Erreichen wollen die Christdemokraten sie unter anderem durch einen »Dreiklang aus Festhalten an der grundgesetzlichen Schuldenbremse, steuerlichen Entlastungen und notwendigen Investitionen«. Eine »große Steuerreform« sieht in vier Schritten ab 2026 eine Senkung der Einkommensteuer vor. Fratzscher wies auch das zurück. »Der Dreiklang von geringeren Steuern, höheren Investitionen und weniger Schulden ist ein Widerspruch in sich und erfordert die Quadratur des Kreises«, sagte er.
Massive Einsparungen bei den Staatsausgaben sollen andererseits dafür sorgen, dass es Deutschland wieder besser geht. »Wir fordern von der Politik entschlossene Signale«, sagte Handwerkspräsident Jörg Dittrich und ergänzte: »Nötig sind weniger Bürokratie, eine generationengerechte Sozialpolitik, faire Steuern, eine starke berufliche Bildung und gezielte Unterstützung für Handwerksbetriebe – ob in der Stadt oder auf dem Land.« Die CDU ist eine der Parteien, bei der er fündig werden kann. Sie will unter anderem die Zahl der Staatsbediensteten und Behörden eindampfen. Ein Digitalministerium soll her, die Zahl der Häuser aber nicht steigen.
»Geringere Steuern, höheren Investitionen und weniger Schulden ist die Quadratur des Kreises«
Die Linkspartei kritisierte die »Agenda 2030« scharf und warf der CDU vor, die Erneuerung des Wirtschaftsstandortes auszubremsen. »Krypto-Mining statt erneuerbarer Energie – das ist bestenfalls obs-kur«, sagte die Parteivorsitzende Ines Schwerdtner. Der Deutsche Gewerkschaftsbund sprach mit Blick von einer Rolle rückwärts. »Die Herausforderungen der Zeit löst die CDU mit ihrer Agenda nicht«, sagte Vorstandsmitglied Stefan Körzell der dpa.
Körzell pickte sich eines der großen CDU-Themen heraus. »Beim Bürgergeld zu kürzen, wird keine Fachkraft mobilisieren«, sagte er. Die Christdemokraten wollen es abschaffen und eine »Neue Grundsicherung« etablieren. Das Ziel: »Anpacken honorieren und dazu motivieren, damit sich Fleiß und Leistung wieder lohnen.«
Wobei man wieder bei der Geschichte ist. Im Zentrum von Schröders »Agenda 2010« standen die sogenannten Hartz-Reformen des Arbeitsmarktes. Sozial- und Arbeitslosenhilfe wurden zusammengelegt, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes gekürzt und Jobcenter eingerichtet. »Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fordern und mehr Eigenleistung von jedem einzelnen abfordern müssen«, erklärte Schröder damals. Ein Satz, den Merz heute auch so sagen könnte. (GEA)