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Kretschmann zeigt in Fukushima Solidarität

FUKUSHIMA. Zu Besuch in verstrahltem Gebiet: Ministerpräsident Kretschmann ist nach Fukushima gereist. Die Region würde gern weg von der Atomkraft.

Bundesratspräsident und baden-württembergischer Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis90/Die Grünen, 3. von links) und
Bundesratspräsident und baden-württembergischer Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis90/Die Grünen, 3. von links) und Delegationsmitglieder im Gespräch mit führenden Persönlichkeiten von AKW Zero (überparteiliche Abgeordneten- und Interessengruppe mit Thema Atomausstieg und Energiewende). Foto: dpa
Bundesratspräsident und baden-württembergischer Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis90/Die Grünen, 3. von links) und Delegationsmitglieder im Gespräch mit führenden Persönlichkeiten von AKW Zero (überparteiliche Abgeordneten- und Interessengruppe mit Thema Atomausstieg und Energiewende).
Foto: dpa
Als der Schnellzug Shinkansen mit Bundesratspräsident Winfried Kretschmann bei schwülwarmen Temperaturen in Fukushima eintrifft, bietet sich ein Bild der Normalität. Auf den ersten Metern in der Provinzhauptstadt Fukushima erinnert nichts an die Katastrophe von vor zweieinhalb Jahren, als es im 60 Kilometer entfernten Atomkraftwerk in Folge eines Erdbebens und Tsunamis zum Gau kam. Und doch ist Kretschmann gleich zum Auftakt seines nur wenige Stunden dauernden Besuches nach eigenen Worten tief berührt, auch wenn er die Atomruine selbst nicht besuchen wird. »Das Bewusstsein, dass hier eine der größten Katastrophen der Nachkriegszeit passierte, die tiefe Spuren in dieser Region hinterlassen hat, ist sehr bewegend«, sagt der Ministerpräsident von Baden-Württemberg mit ruhiger Stimme.

Er ist nicht der erste deutsche Politiker, der nach Fukushima reist. Und doch ist sein Besuch ein besonderer. Schließlich gilt die Atomkatastrophe als ein Grund dafür, dass seine Partei die Grünen und die SPD die Landtagswahl 2011 gewannen und die CDU die Macht abgeben musste. Aber Kretschmann tritt in Japan nicht als jemand auf, der schon immer wusste, welche Gefahren die Atomenergie birgt. Er gibt sich diplomatisch und pragmatisch, erläutert die deutsche Energiewende, ohne zu belehren, hört zu und stellt Fragen. So will er in Fukushima vor allem erfahren, wie die Menschen mit den Folgen des Gaus umgehen, wie der Wiederaufbau vorankommt, will Solidarität zeigen und sich über Pläne für erneuerbare Energien erkundigen.

Bei einer Gesprächsrunde mit Betroffenen bekommt Kretschmann einen kurzen, aber nachhaltigen Eindruck über die Probleme in Fukushima. Da schildert der Generalsekretär der örtlichen Wiederaufbaubehörde, Toshio Maruyama, dass der Staat »mit aller Kraft« dabei sei, die verstrahlten Gebiete zu dekontaminieren. Noch heute leben 154 000 Evakuierte fern ihrer Häuser. Mehr als die Hälfte der einst 3000 Bewohner seines evakuierten Ortes Kawauchi-mura zögerten jedoch trotz der Erfolge bei der Dekontaminierung, zurückzukommen, schildert Bürgermeister Yuuko Endo.

Dann richtet sich Kretschmanns Blick auf Setsuko Kida. Den Tränen nahe schildert die 59-jährige Japanerin, wie sie ein Jahr lang unter Depressionen gelitten habe. Bis heute ist ihr Haus unbewohnbar. »Es gibt keinen Beweis, dass die Strahlung durch Dekontaminierung zurückgeht«, klagt Kida und zeigt Kretschmann Fotos von Säcken mit verstrahltem Abraum, die sich in der ganzen Region aus Mangel an Zwischenlagern türmen. Die Werte stiegen nach jedem Regen wieder an. Doch der Staat und die japanischen Medien verheimlichten all dies, klagt sie mit Wut in der Stimme.

Bevor Kretschmann wieder nach Tokio zurückfährt, steht noch ein Termin beim Gouverneur der Provinz Fukushima, Yuhei Sato, auf dem Programm. »Wir haben die Vision, dass unsere Region von der Atomenergie unabhängig wird«, sagt Sato und äußert großes Interesse an einer Kooperation mit Deutschland. Damit stößt er bei Kretschmann auf offene Ohren. Zumal dieser in Tokio erfahren hatte, dass Japans neue Regierung bereits erwägt, die ersten Meiler wieder hochzufahren. Das verwundert Kretschmann zwar nicht groß. Schließlich seien die Voraussetzungen in Japan mit seiner Insellage ganz anders.

Als er jedoch bei Gouverneur Sato auf ein ähnlich großes Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien stößt wie auch schon zuvor beim Gouverneur der Tokioter Nachbarprovinz Kanagawa, der Partnerregion Baden-Württembergs, zeigt sich Kretschmann erfreut. In 30 Jahren, so sagt Sato, wolle Fukushima bei der Energie autark werden. (dpa)