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Kooperation von Russland und Nordkorea: Was bedeutet das für Deutschlands Sicherheit?

Erst Waffen, dann Soldaten: Nordkorea unterstützt Russland im Konflikt mit der Ukraine. Droht jetzt der Dritte Weltkrieg?

Bündnis der Autokraten: Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un und Russlands Präsident Wladimir Putin intensivieren die militärische
Bündnis der Autokraten: Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un und Russlands Präsident Wladimir Putin intensivieren die militärische Zusammenarbeit. Foto: Alexander Zemlianichenko/AP/dpa
Bündnis der Autokraten: Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un und Russlands Präsident Wladimir Putin intensivieren die militärische Zusammenarbeit.
Foto: Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

MOSKAU/PJÖNGJANG/KIEW. Erst Waffen, dann Soldaten: Nordkorea ist in den Krieg eingestiegen. Mit den Lieferungen unterstützt die Diktatur Russland, macht Druck auf die Ukraine und bringt den Westen in Zugzwang. Einige befürchten die Eskalation des Regionalkonflikts zum Dritten Weltkrieg. Andere erwarten einen geringen Effekt. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Schickt Nordkorea Soldaten in den Krieg gegen die Ukraine?

Nordkorea schickt neuerdings Soldaten nach Russland. Darüber berichtete zuerst der südkoreanische Geheimdienst. Demnach befinden sich bereits 3.000 Nordkoreaner in Russland, insgesamt ist der Einsatz von 12.000 Kämpfern geplant.

Truppen aus Nordkorea in Russland meldete auch die Ukraine. Sie erwartet, dass ein Einsatz im russischen Grenzgebiet Kursk unmittelbar bevorsteht. Der ukrainische Militärgeheimdienst HUR veröffentlichte angeblich abgefangene russische Funksprüche. Von einem »Bataillon K« mit 12.000 Soldaten ist dort die Rede, das in Kursk erwartet werde und nun versorgt werden müsse. Dort war die Ukraine im Sommer einmarschiert und hält seitdem Dutzende Ortschaften besetzt.

Die USA bestätigten inzwischen die Berichte über Truppen aus Nordkorea in Russland. Nach Einschätzung des US-Verteidigungsministeriums wurden 10.000 Soldaten entsandt. Einige davon hielten sich in der Region Kursk auf; die Nato kam zu demselben Ergebnis.

Nordkorea dagegen dementierte bislang die Entsendung von Soldaten nach Russland. Kremlchef Wladimir Putin jedoch bestritt die Anwesenheit nordkoreanischer Soldaten in seinem Land nicht und verwies stattdessen darauf, dass auch die Ukraine auf Personal aus Nato-Staaten zurückgreife.

Russland und Nordkorea hatten jüngst einen Vertrag über eine strategische Partnerschaft geschlossen. Die Vereinbarung verstärkt die militärische Zusammenarbeit beider Länder und legt fest, dass sich Russland und Nordkorea gegenseitig Beistand leisten, sollte eines der Länder angegriffen werden. Im UN-Sicherheitsrat sagte Russlands Botschafter Wassili Nebensja: »Die Zusammenarbeit richtet sich nicht gegen Drittstaaten. Sie stellt keine Bedrohung für die Länder der regionalen oder internationalen Gemeinschaft dar.«

Wie unterstützt Nordkorea Russland sonst im Krieg?

Nordkorea unterstützt Russland mit Waffen. Dabei handelt es sich vor allem um Artilleriegeschosse und Kurzstreckenraketen. Das berichtet der südkoreanische Geheimdienst unter Berufung auf Satellitenfotos, mit denen er Schiffslieferungen zwischen Nordkorea und Russland überwacht. Das Volumen der Lieferungen, die seit Kriegsbeginn im Februar 2022 erfolgten, beziffert eine aktuelle Studie der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung auf 1,7 bis 5,5 Milliarden US-Dollar. Für die Expertise hat Olena Guseinova von der Hankuk Universität für Fremdsprachen in Seoul Geheimdienstberichte, geleakte Dokumente und Munitionspreise von früheren nordkoreanischen Waffengeschäften ausgewertet. Nordkorea selbst veröffentlicht keine Daten zu seinen Waffenexporten, eine genauere Schätzung ist deshalb unmöglich.

Warum holt Russland sich Hilfe bei Nordkorea?

Nato-Generalsekretär Mark Rutte bezifferte die Zahl der im Ukraine-Krieg getöteten und verletzten russischen Soldaten auf über 600.000. Dazu sagte er mit Blick auf Putin: »Er ist nicht in der Lage, seinen Angriff auf die Ukraine ohne ausländische Unterstützung aufrechtzuerhalten.« Die Indienstnahme nordkoreanischer Truppen sei »ein Zeichen für die wachsende Verzweiflung«. Auch der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, bewertete Russlands Kooperation mit Nordkoreas Soldaten als »Zeichen der Schwäche und nicht der Stärke«. Die stellvertretende Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh spricht von »außerordentlichen Verlusten«, die Putins Streitkräfte auf dem Schlachtfeld erlitten hätten, und sieht im Einsatz der Nordkoreaner einen »Hinweis darauf, dass Putin möglicherweise in größeren Schwierigkeiten steckt, als den Menschen bewusst ist«.

Anders bewerten die Situation einige Sicherheitsexperten: Sie warnen davor, Putins Rekrutierungspotenzial im Inland für erschöpft zu halten. Christian Mölling von der Bertelsmann-Stiftung spricht von einer »rein ökonomischen Logik«: »Nordkoreanische Soldaten sind billiger als russische Soldaten.« Die russische Gesellschaft leide unter den Steuererhöhungen infolge des Kriegs. Mit nordkoreanischen Soldaten könne der Kreml außerdem eine weitere Großmobilisierung umgehen. »Putin will den Krieg vom normalen Leben der Russinnen und Russen möglichst fernhalten«, erklärte Mölling. »So kann er das Ausmaß des Krieges weiter verschleiern.«

International isoliert: Nordkorea rüstet auf gegen »Erzfeind« USA. Mit Südkorea befindet es sich gleichsam im »Kalten Krieg«. Zu
International isoliert: Nordkorea rüstet auf gegen »Erzfeind« USA. Mit Südkorea befindet es sich gleichsam im »Kalten Krieg«. Zu China und Russland unterhält es schwierige Beziehungen. Foto: dpa-Infografik
International isoliert: Nordkorea rüstet auf gegen »Erzfeind« USA. Mit Südkorea befindet es sich gleichsam im »Kalten Krieg«. Zu China und Russland unterhält es schwierige Beziehungen.
Foto: dpa-Infografik

Was hat Nordkorea davon?

Durch den Einsatz in der Ukraine könnte das nordkoreanische Militär praktische Kampferfahrung in einem modernen Krieg mit Drohnen und reichweitenstarken Raketen sammeln. Auch die eigene Rüstungstechnologie – so die Befürchtung im Westen – könnte Nordkorea mit Know-how und Technik aus Russland modernisieren; dabei ginge es vermutlich vor allem um Atomwaffen und Raketen. Auch geopolitisch hilft Nordkorea die Allianz mit Russland: Dadurch unterläuft es bereits jetzt Sanktionen des Westens und balanciert die Beziehungen zum Nachbarland China aus. Im Zivilbereich profitiert Nordkorea ebenfalls von Russlands Unterstützung: Neben direkten Zahlungen sind Lieferungen von Öl und Gas, Lebensmitteln und Konsumgütern sowie Investitionen in Industrieanlagen zu erwarten.

Welche Folgen hat das für die Ukraine?

Die nordkoreanische Beteiligung dürfte nach Ansicht von Experten keine großen Auswirkungen auf den Kriegsverlauf haben. Russland soll aktuell 600.000 bis 700.000 eigene Soldaten in der Ukraine und dem Grenzgebiet Kursk im Kampfeinsatz haben. Da würden 12.000 zusätzliche Soldaten aus Nordkorea kaum ins Gewicht fallen.

Auch die Kampfkraft der Nordkoreaner ist umstritten. »Die nordkoreanische Armee hat keine Erfahrung mit modernen Kampfeinsätzen«, sagte Sicherheitsexperte Mölling von der Bertelsmann-Stiftung. »Das gilt insbesondere für Artilleriebeschuss, Drohnenkrieg und elektronische Kriegsführung. All das ist charakteristisch für das Schlachtfeld in der Ukraine, aber untypisch für die koreanische Halbinsel.« Darum glaubt Mölling, dass Russland nordkoreanische Soldaten nicht an vorderster Front einsetzen wird. Stattdessen würden sie vermutlich die russisch-ukrainische Grenze bewachen und damit russische Truppen freistellen für den Kampfeinsatz in der Ukraine oder in Kursk.

Was bedeutet das für die internationale Sicherheit?

Auf die Spekulationen um die russisch-nordkoreanische Kooperation reagierte Südkorea mit der Drohung, Waffen an die Ukraine zu liefern. »Alle Optionen liegen auf dem Tisch«, sagte Südkoreas Außenminister Cho Tae Yul. »Wir sind nicht in einer Position, in der wir tatenlos zusehen können, wenn dies zu einer Bedrohung unserer Sicherheit wird.« Die Maßnahmen hingen davon ab, welche Gegenleistungen Nordkorea von Russland erhalte.

Der Westen wollte den russisch-ukrainischen Krieg immer auf die Region begrenzen. Mit dem Einstieg von Nordkorea und Südkorea würde der Konflikt jedoch noch weitere internationale Kreise ziehen als bisher schon. Entsprechend warnte Nato-Generalsekretär Rutte: »Die vertiefte militärische Zusammenarbeit zwischen Russland und Nordkorea ist eine Bedrohung sowohl für die Sicherheit im Indopazifik als auch im euro-atlantischen Raum.«

Wie reagiert der Westen?

Die Optionen des Westens sind begrenzt. Bislang beschränkt er sich auf diplomatischen Druck. Die Sanktionen gegen Nordkorea sind wegen der Entwicklung von Atomwaffen und der Waffenlieferung an Russland bereits so streng, dass sie kaum noch verschärft werden können.

Damit bliebe vor allem die Möglichkeit, die militärische Unterstützung für die Ukraine zu verstärken. Die G7 sagten bereits weitere 50 Milliarden US-Dollar (46 Milliarden Euro) zu. Die G7 ist ein Zusammenschluss der sieben großen Wirtschaftsnationen des Westens. Zahlen soll indirekt Russland: Die russische Zentralbank hat in Europa 210 Milliarden Euro deponiert. Dieses Vermögen hat die EU eingefroren. Die Zinsen werden auf 2,5 bis 3 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Damit will die EU den Kredit für die Ukraine absichern. Die Maßnahme kommentierte US-Präsident Joe Biden mit den Worten: »Tyrannen werden für die Schäden, die sie verursachen, verantwortlich gemacht.« Russland dagegen spricht von »Raub«, der »nicht ungestraft« bleiben würde.

Die Entsendung von Nato-Kampftruppen gilt derzeit als ausgeschlossen. Bündnispartner wie Deutschland und die USA befürchten, dass dadurch ein Dritter Weltkrieg ausgelöst werden könnte. (GEA)