NÜRNBERG. Jesuitenpater Jörg Alt sitzt derzeit im Gefängnis. Auch die Karwoche und Ostern wird der 63-jährige Mönch in der Justizvollzugsanstalt Nürnberg verbringen. Der katholische Geistliche wurde vom Landgericht Nürnberg-Fürth im November 2024 zu einer Geldstrafe von von 500 Euro (75 Tagessätze zu 15 Euro) plus Verfahrenskosten von 724,50 Euro verurteilt, weil er sich gemeinsam mit Klimaaktivisten der Letzten Generation im August 2022 an eine Straße beim Nürnberger Hauptbahnhof festgeklebt hat. Der streitbare Ordensmann protestierte damit gegen den Klimawandel.
Der Ordensmann verfügt nach eigenen Aussagen als Jesuit über kein persönliches Einkommen. Nach der Ordensregel hat er Armut, Keuschheit und Gehorsam, besonders gegenüber dem Papst – Franziskus ist ebenfalls Jesuit – gelobt. Was er zum Leben braucht, wird ihm von seinem Orden gestellt. Was er verdient, geht in das Ordensvermögen ein. Deshalb könne er die Geldstrafe nicht bezahlen und müsse eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe antreten, die bei offenen Geldstrafen vollstreckt wird, so Alt. Eine von den Richtern vorgeschlagene Umwandlung der Strafe in Sozialstunden lehnte der Priester ab.
»Ich stelle die Gerechtigkeit über das Recht«
"Ich trete diese Haftstrafe nicht gerne an, weil meine Gesundheit mit nunmehr 63 Jahren nicht mehr die beste ist", schreibt Alt dem GEA in einer E-Mail. "Ich sehe aber dazu keine Alternative, denn es ist die letzte Form des Protests, die mir im konkreten Fall verbleibt, um Aufmerksamkeit auf wichtige Themen zu lenken", erklärt er. Auf den Zeitpunkt des Antritts seiner 25-tägigen Haftstrafe am 1. April und somit über Ostern habe er keinen Einfluss gehabt, sagt der Pater. Den Gesetzesbruch, die Straftat der Nötigung, räumt der Geistliche ein. Er bezeichnet sich selbst als Straftäter. Er argumentiert jedoch, dass seine Straftat weniger schwer wiege, als die Untätigkeit der Politiker angesichts der Zerstörung des Weltklimas. Für Jörg Alt ist der Gehorsam, den er gelobt hat, und der zivile Ungehorsam kein Widerspruch. »Ich stelle die Gerechtigkeit über das Recht«, sagt er vor einiger Zeit im Gespräch mit dem GEA.
Die Klimaklebe-Aktion ist nicht die erste illegale Aktion von Jörg Alt. Zunächst hat er – begleitet von Journalisten – weggeworfene Lebensmittel aus einem Supermarkt-Container gestohlen, verschenkt und sich dann selbst angezeigt. Der Geistliche wollte damals gegen die Verschwendung von Lebensmitteln angesichts des Hungers in Entwicklungsländern protestieren. Der betroffene Supermarkt verzichtete jedoch auf eine Strafverfolgung.
Im Gefängnis wolle er keine besondere Bevorzugung haben, sonder sich als »normaler Häftling« ins »Gefängnisregime eingliedern«, betont der Geistliche. Im Gefängnis wolle er deshalb auch keine Journalisten empfangen. Ihm stehe nur ein einstündiger Besuch zu und dieser Slot sei bereits vergeben. Auch Bücher, Päckchen, Essen und andere Geschenke dürfe er im Gefängnis nicht bekommen. Die bayrischen Vorschriften für Strafgefangene seien hier eindeutig, betont Alt.
Wichtig ist ihm allerdings, dass dem Staat durch seine Haft keine Kosten entstehen. Ein Hafttag kostet den Staat nämlich 170 Euro. Die für seine 25-tägige Haft entstandenen Kosten, die plus Ausstattung 4.500 Euro betragen, will Alt mit Spenden sammeln und nach seiner verbüßten Haft auf das Konto überweisen, auf das er seine ursprüngliche Geldstrafe bezahlen sollte. Auch die 724,50 Euro an Verfahrenskosten hat der Geistliche nach eigenen Angaben inzwischen beglichen.
Jörg Alt ist die Solidarität seines Jesuitenordens sehr wichtig. Inzwischen haben sich über 130 Jesuiten weltweit mit dem Inhaftierten solidarisch erklärt. Gegenüber dem GEA betonte Alt, dass er seinen Protest mit seinen Vorgesetzten im Orden abgesprochen hat. »Es gab auch Dinge, von denen ich abgelassen habe, weil meine Vorgesetzten das kritisch sahen«, sagt Alt.
Wenn er nicht in Haft ist, lebt Jörg Alt in Nürnberg in einer Kommunität, dem Ukama-Zentrum. In anderen Orden würde man von einem Kloster sprechen, erklärt er. Eine Kutte trägt Alt nicht. »Manchmal ziehe ich meinen römischen Kragen an«, meinte er in einem früheren Gespräch mit dem GEA.
»Ich gliedere mich als normaler Häftling ins Gefängnisregime ein«
Mit 20 Jahren ist der 61-Jährige in den Orden eingetreten. »Die Gründe, warum ich damals in den Orden eingetreten bin, sind andere als die, warum ich heute immer noch darin bleibe«, sagt Alt. Er hat Philosophie und Theologie studiert und in Soziologie promoviert. Lange hat er mit legalen und illegalen Migranten gearbeitet. Den Klimawandel sieht Alt auch als Produkt der globalen Ungerechtigkeit und als Ursache von Fluchtbewegungen. Bis er dazu bereit war, auch mit radikalen und ungesetzlichen Maßnahmen gegen den Klimawandel zu protestieren, das habe bei ihm recht lange gedauert, sagt er.
Mit seinem Haftantritt verschickte Jörg Alt noch einen Offenen Brief an die Parteivorsitzenden der sich andeutenden Großen Koalition aus Union und SPD mit einem Appell, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. (GEA)