Es ist eine besorgniserregende Entwicklung in der Ostsee: Wieder ist ein Unterseekabel beschädigt worden, diesmal hat es die Stromverbindung Estling 2 zwischen Estland und Finnland getroffen. Viel spricht für Sabotage, und immer wieder, wenn es zu solchen Vorfällen kommt, sind Schiffe in der Nähe, die der russischen Schattenflotte zugerechnet werden, mit der Diktator Wladimir Putin unter Umgehung der Sanktionen Öl durch die Ostsee transportieren lässt. Die finnische Marine hat nach dem jüngsten Zwischenfall ein Schiff gestoppt und will die verbliebene Leitung Estland 1 mit Kriegsschiffen schützen.
Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass die EU und die Nato zwar noch nicht im Krieg sind, aber auch nicht mehr im Frieden. Entsprechend will die Nato ihre Präsenz in der Ostsee erhöhen. Es wäre sogar an der Zeit, noch einen Schritt weiterzugehen. In Artikel 4 des Nato-Vertrags, der Vorstufe zum Bündnisfall nach Artikel 5, heißt es: »Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebietes, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht sind.«
Die beschädigten Kabel sind nicht die einzigen offensichtlich feindlichen Akte, die Nato-Staaten zum Ziel haben. Mit Brandsätzen versehene DHL-Pakete, Cyber-Attacken und Brandanschläge: Immer wieder weisen die Spuren nach Russland. Artikel 4 wäre eine Möglichkeit, eine Botschaft an den zunehmend hemmungslosen hybriden Krieger im Kreml zu senden: Übertreib es nicht, unsere Geduld ist nicht unendlich.