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Holprig ist der Weg ins Kanzleramt

CDU-Chef Merz soll am 6. Mai zum neuen Regierungschef gewählt werden. Das könnte aber auch schiefgehen

CDU-Chef Friedrich Merz will sich am 6. Mai wählen lassen. Die Kanzlermehrheit ist ihm aber noch nicht gewiss.  FOTO: KAPPELER/D
CDU-Chef Friedrich Merz will sich am 6. Mai wählen lassen. Die Kanzlermehrheit ist ihm aber noch nicht gewiss. FOTO: KAPPELER/DPA
CDU-Chef Friedrich Merz will sich am 6. Mai wählen lassen. Die Kanzlermehrheit ist ihm aber noch nicht gewiss. FOTO: KAPPELER/DPA

BERLIN. Es ist in diesen Tagen im Regierungsviertel viel von Erschöpfung die Rede. »Die sind müde, die brauchen jetzt mal eine Pause«, sagt einer, der als Sprecher für einen CDU-Abgeordneten arbeitet. Mit »die« sind alle Abgeordneten von Union und SPD gemeint, die in den letzten Tagen den Koalitionsvertrag ausgearbeitet haben. Das Mitleid darf sich in Grenzen halten, in anderen Berufen wird Menschen – auf Polizeistationen oder in Krankenhäusern beispielsweise – deutlich mehr abverlangt.

Aber klar ist gerade: Die Luft ist für ein paar Tage raus. Der designierte Kanzler Friedrich Merz erholt sich offenbar, andere tun es ihm nach. Bis Montag dauert das Atemholen, dann lädt die CDU zum Kleinen Parteitag ins Berliner Megahotel Estrel ein, um dort über den Koalitionsvertrag abzustimmen. Zwei Tage später gibt die SPD das Ergebnis ihres Mitgliedervotums zu dem rund 140 Seiten dicken Vertrag ab.

Abweichler bei der SPD

In beiden Fällen wird mit Zustimmung gerechnet. Die CSU hat den Koalitionsvertrag bereits gebilligt, bei der CDU gilt das als Formsache. Die Sozialdemokraten dürften sich etwas schwerer tun. Sie müssen unter anderem schlucken, dass das Bürgergeld in seiner bekannten Form einkassiert wird. Insgesamt jedoch dürfte die SPD das Papier billigen. Tut die Mehrheit das nicht, droht Chaos in Form von Neuwahlen.

Die Sozialdemokraten dürften um ihre Verantwortung wissen. In der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa stehen sie bei 15 Prozent. Die AfD kommt auf 26 Zähler, einen mehr als die Union. Doch damit ist es noch nicht vollbracht. Damit die neue Regierung aus CDU, CSU und SPD ins Amt kommt, braucht es noch einiges mehr.

Für den 6. Mai steht die Kanzlerwahl im Terminkalender des Bundestags. Friedrich Merz will dabei seiner politischen Karriere die Krone aufsetzen und Regierungschef werden. Die Hürde allerdings ist hoch, ein Selbstläufer wird das nicht. Denn Merz benötigt die absolute Mehrheit der Stimmen, auch Kanzlermehrheit genannt. Der Bundestag hat 630 Sitze, die absolute Mehrheit wäre damit bei mindestens 316 Stimmen gegeben. Union und SPD kommen zusammen auf 328 Sitze, das Polster von zwölf Stimmen ist dünn.

Denn Merz muss mit Abweichlerinnen und Abweichlern beim Koalitionspartner SPD rechnen. Acht könnten es sein, hat Anfang März eine Umfrage der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ergeben. Da braucht es nur noch eine Handvoll Widersacher in Unionsreihen, und Merz wäre durchgefallen. Das Grundgesetz sieht zwar noch weitere Wahlphasen vor, sogar die Option eines Minderheitskanzlers ist möglich.

Aber sollte Merz tatsächlich im ersten Wahlgang scheitern, zöge dies wohl mindestens das Platzen der Koalition mit der SPD nach sich. Neuwahlen stünden im Raum, weil die Stimmen des einzig anderen denkbaren Koalitionspartners nicht für eine Regierungsmehrheit ausreichen: Die Grünen kommen auf 85 Sitze. Mit AfD und Linken will die Union nicht zusammenarbeiten.

Merz hatte es in der Wahlkampfphase stets abgelehnt, ein Schattenkabinett zu benennen. Der Rückzug des lange Zeit als Wirtschaftsminister gehandelten CDU-Generalsekretärs Carsten Linnemann zeigt, dass das einerseits eine schlaue Idee war. Andererseits wollte es der CDU-Chef angesichts des knappen Vorsprungs aber auch vermeiden, Parteimitglieder zu verprellen. Wer sich Chancen auf ein Amt ausrechnet und dann von Merz nicht berücksichtigt werden kann, soll möglichst spät davon erfahren – um bei der geheimen Kanzlerwahl nicht nachträglich Rache zu üben. So ganz geht der Plan nicht auf, denn eine Personalie wird wohl schon vor dem 6. Mai entschieden. Damit Merz nicht als Fraktionsvorsitzender in die Kanzlerwahl gehen muss, soll am Abend vorher ein neuer Unions-Fraktionsvorsitzender gewählt werden.

Als möglicher Nachfolger von Merz an dieser Stelle wird oft Thorsten Frei (CDU) genannt. Der amtierende Fraktionsgeschäftsführer ist gleichzeitig aber auch als Kanzleramtschef im Gespräch. Die baden-württembergische CDU-Abgeordnete Nina Warken gilt vielen in der Fraktion als Wunschkandidatin, falls es Frei nicht werden sollte.

Jens Spahn ist ein weiterer Name, der mit dem Fraktionsvorsitz in Verbindung gebracht wird. Der CDU-Politiker ist nicht unumstritten, hat Merz in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD aber beim Thema Finanzen den Rücken freigehalten. Spahn sei als Einziger dazu sprechfähig gewesen, berichten Teilnehmer. Der designierte Kanzler schuldet ihm in der Berliner Politik-Logik einen einflussreichen Posten. (GEA)