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Hoffnungen einer rebellischen Kümmerer-Partei

Die Linke kämpft ums Überleben. Heraushelfen soll ein Revival der eigenen Rolle. Und drei alte weiße Männer

Aufbruchsstimmung (von links): Gregor Gysi sitzt auf dem Bundesparteitag der Linken neben den neue Parteivorsitzenden Ines Schwe
Aufbruchsstimmung (von links): Gregor Gysi sitzt auf dem Bundesparteitag der Linken neben den neue Parteivorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken. FOTO: SCHMIDT/DPA
Aufbruchsstimmung (von links): Gregor Gysi sitzt auf dem Bundesparteitag der Linken neben den neue Parteivorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken. FOTO: SCHMIDT/DPA

BERLIN. Jetzt heißt es Klinkenputzen. Der Haustürwahlkampf soll die Linkspartei nach vier Wahlschlappen zurück zum Erfolg führen. Dabei geht es für die Partei um nichts weniger als die eigene politische Existenz. Bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr droht der Abstieg in die Bedeutungslosigkeit. Die Umfragen sehen die Linke im Bereich zwischen drei und vier Prozent. Deshalb wollen die Genossen zu ihrem einst erfolgreichen Image als Kümmererpartei zurückkehren und klopfen bei den Wählerinnen und Wählern an der Haustür: »Wollen Sie mit mir über die linke Politik sprechen?«

Der Parteitag in Halle vorvergangenes Wochenende sollte einen politischen Neuanfang markieren. Doch die Euphorie währte nur kurz, als sich wenige Tage später fünf bekannte Genossen in Berlin aus der Partei verabschiedeten. Der ehemalige Kultursenator und jetzt parteilose Klaus Lederer begründet sein Ausscheiden mit einer fehlenden Positionierung gegen Antisemitismus. Ein Eklat, der auf den Tag genau ein Jahr nach dem Austritt Sahra Wagenknechts folgte. Mit Lederer hat eine weitere Leitfigur die nach Halt suchende Partei verlassen.

In kleinteilige Debatten verzettelt

Dabei kann der Berliner Abgeordnete Niklas Schenker das Argument Lederers nicht nachvollziehen. »Wir stehen als Linke gegen jeden Antisemitismus, das ist breiter Konsens«, sagt Schenker. Man habe sich eher in der Interpretation kleinteiliger begrifflicher Debatten verzettelt. »Für die Linken ist es leider typisch, Diskurse hartnäckig auszufechten.«

Der Nahostkonflikt scheint dabei die angeschlagene Partei ihrem Ende zuzutreiben. Die klassisch linke Differenzierung zwischen oben und unten, arm und reich, geht in diesem Diskurs unter. Befeuert wird der Streit innerhalb der Fraktion laut Schenker durch die veränderte Zusammensetzung der Mitglieder. So vermeldet die Partei nicht nur Austritte vieler ehemals hoher Mandatsträger, sondern auch 12.000 Beitritte. Einige dieser neuen Mitglieder stammen aus sozialen Bewegungen und sind dort nach wie vor aktiv. Vorstandsmitglied Schenker folgert daraus: »Das Bild der Partei ändert sich. Es bezieht mittlerweile mehr ein als die reine parlamentarische Arbeit.« Nun werde das eigene Rollenverständnis zwischen staatstragender Partei und aktivistischer Bewegungspartei ausgehandelt. Dabei sollte die Doppelspitze aus Jan van Aken und Ines Schwerdtner eigentlich einen Neuanfang markieren, der aber wegen des Ärgers um die prominenten Genossen in Berlin schon wieder nach der Fortsetzung der ewigen innerparteilichen Flügelkämpfe ausschaut. So wird es schwer, sich gegen den Hauptgegner zu behaupten. Sahra Wagenknecht hat ihrer alten Formation viele Wähler abspenstig gemacht.

Um bei der nächsten Bundestagswahl ins Parlament einzuziehen, hat sich die Partei einen Notfallplan überlegt: »Aktion Silberlocke«. Den Namen erfand Parteiikone Gregor Gysi, als er beim Parteitag ein Eingreifen in den Wahlkampf andeutete. Gemeinsam mit Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow wolle das Trio drei Direktmandate erobern. Dank der Grundmandatsklausel könnte die Partei so selbst dann im nächsten Bundestag vertreten sein, wenn nicht fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht werden.

Und das könnte nach dem anhaltenden, öffentlich ausgetragenen Streit schwierig werden. Die desaströsen Wahlergebnisse in Sachsen, Thüringen und Brandenburg haben gezeigt, dass die Linke im Osten ihren festen Stand als Protestpartei verloren hat. »Viele Menschen wissen nicht mehr, wofür die Linke steht«, erklärt Schenker die derzeitige Krise. »Durch den jahrelangen Streit ist unser Profil in der Öffentlichkeit verloren gegangen.« Nun gehe es darum, sich auf Kernthemen wie bezahlbares Wohnen zu konzentrieren und diese direkt zu den Leuten zu tragen. Also zum alten Image der Kümmerer-Partei zurückkehren, nun allerdings als »rebellische Kümmerer«.

Direkte Hilfe für die Bürger

So, wie es Schenker als wohnungspolitischer Sprecher der Berliner Fraktion zweimal im Monat umsetzt. An einem kleinen Tisch in seinem Charlottenburger Wahlkreisbüro bietet er den Menschen bei der Sozialsprechstunde einen Kaffee und seine Expertise an. Er unterstützt bei Mieterhöhungen, verweist auf Finanzspritzen und hilft bei den entsprechenden Formularen. Im Berliner Abgeordnetenhaus setzt sich Schenker dafür ein, dass Mietwucher geahndet wird – den das Wirtschaftsstrafgesetz untersagt. Schenker glaubt an seine Partei und an ihren »politischen Gebrauchswert«. Nun müssten die Konzepte nur noch auf die richtigen Ohren treffen. (GEA)