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Helmut Haussmann: »So hat die FDP eine Zukunft«

Helmut Haussmann, Ex-Generalsekretär der FDP, erklärt im GEA, welche Lehren seine Partei aus dem Debakel bei der Bundestagswahl ziehen muss.

Helmut Haussmann erklärt im GEA-Gespäch, wie ein Comeback der FDP gelingen kann.
Helmut Haussmann erklärt im GEA-Gespäch, wie ein Comeback der FDP gelingen kann. Foto: Pieth
Helmut Haussmann erklärt im GEA-Gespäch, wie ein Comeback der FDP gelingen kann.
Foto: Pieth

REUTLINGEN. Die FDP ist mit Pauken und Trompeten aus dem Bundestag gefallen. Ist die Partei damit am Ende? Niemals, sagt Helmut Haussmann, langjähriger Generalsekretär und liberaler Bundeswirtschaftsminister in der Regierung Kohl. Die FDP werde ihre Lehren aus der Pleite ziehen, mit neuen Ideen und neuem Personal das Comeback der Liberalen schaffen, erklärt Haussmann im Gespräch mit dem GEA. Dabei verrät er auch, wen er künftig an der Spitze der FDP sieht: Ein Führungsduo bestehend aus dem bisherigen Fraktionschef Christian Dürr und der Unternehmerin Marie-Christine Ostermann.

GEA: Herr Haussmann, die FDP ist raus. Haben Sie das Debakel kommen sehen oder haben sie es nur befürchtet?

Helmut Haussmann: Ich war mir eigentlich sehr sicher, dass die FDP den Wiedereinzug schafft. Allerdings war mir schon klar, dass die Rolle der FDP in der Ampel als einziger wirtschaftsorientierter Partei nicht ganz einfach war. Aber ich dachte mir, als wir aus der Koalition ausgestiegen sind, jetzt sind wir wieder frei von Zwängen, jetzt können die Leute wieder die echte FDP wählen. Aber der Schritt kam wohl zu spät. Die Enttäuschung am Wahlabend war jedenfalls sehr groß.

Was waren die Gründe für das schlechte Abschneiden der FDP, nur die schlechte Performance der Ampel?

Haussmann: In der Ampel wurde in der Tat zu viel gestritten. Das mögen die Leute nicht. Zumal in solch krisenbehafteten Zeiten. Es begann ja eigentlich sehr progressiv. Die Grünen übernahmen das Thema Umweltschutz, die SPD das soziale Feld mit Renten und Bürgergeld, die FDP hat sich um Wissenschaft, Fortschritt und Fianzen gekümmert. Das war ja kein schlechter Ansatz. Aber das änderte sich schnell, keiner hat dem anderen was gegönnt, es kam zum Dauerstreit. Aber der Todesstoß für die FDP kam von CDU-Chef Friedrich Merz, der gesagt hat, jede Stimme für die FDP sei eine zu viel. Viele Unternehmer, gerade auch hier im Wahlkreis, waren verunsichert. So geht man nicht um mit langjährigen Partnern. Unter Helmut Kohl hätte es das nicht gegeben.

Helmut Haussmann beim GEA-Redaktionsgespräch
Helmut Haussmann beim GEA-Redaktionsgespräch Foto: Frank Pieth
Helmut Haussmann beim GEA-Redaktionsgespräch
Foto: Frank Pieth

Hat sich die FDP zu stark verbogen in der Ampel?

Haussmann: Die FDP hat schon dagegengehalten, aber es hat schon einige Abstimmungen gegeben in der Ampel, da hat meine Partei nicht rechtzeitig die Konsequenzen gezogen. Gerade als das mit dem Beschummeln beim Haushalt begann, hätte man viel früher das Veto einwerfen müssen. Aber um des lieben Friedens Willen hat man doch mitgemacht. Man hat sich gesagt, es ist Krieg in Europa, da können wir keinen Koalitionskrach gebrauchen. Bis es irgendwann zu viel wurde und Lindner ausgestiegen ist. Außerdem darf man nicht vergessen: Lindner hat 2013 die Koalition mit Angela Merkel verweigert, das hat man ihm damals übel genommen. Deswegen wollte er in der Ampel nicht wieder derjenige sein, der die Koalition platzen lässt. Aber ich rechne ihm hoch an, dass er überhaupt ausgestiegen ist. Vielleicht ein bisschen spät, aber immerhin.

»Junge Leute erwarten auch mal Führungsstärke«

Warum ist es nicht cool, FDP zu wählen, warum machen viele junge Menschen eher bei den Linken oder bei der AfD ihr Kreuzchen?

Haussmann: Die Wirkkraft der sozialen Medien hat die FDP vielleicht ein wenig unterschätzt, das zeigen die Erfolge der Linkspartei und der AfD. Aber es war auch schwierig, in dieser alten Koalition moderne Themen unterzubringen, die junge Menschen umtreiben: Start-ups, Unternehmertum, Freude an der Arbeit statt Work-Life-Balance an erster Stelle. Die FDP hat sich da auch auf zu viele Kompromisse eingelassen. Junge Menschen erwarten manchmal auch Kompromisslosigkeit, klare Kante und Führungsstärke. Aber auch bei den Themen Rentensicherheit und Generationengerechtigkeit, wo unser Abgeordneter Pascal Kober gute Ideen eingebracht hat, konnten wir uns zu wenig durchsetzen.

Viele befürchten, dass der FDP diesmal kein Comeback gelingen wird. Teilen sie diese Befürchtung?

Haussmann: Nein. Wir kommen zurück. Das Totenglöckchen hat schon oft für die FDP geläutet, aber wir leben immer noch. Auch als ich Generalsekretär war, in den 80ern, haben uns die Leute den Schwenk von der SPD mit Helmut Schmidt hin zur CDU mit Helmut Kohl sehr übelgenommen. Wir sind damals aus vielen Landtagen gefolgen. Aber die FDP ist zurückgekommen. Mit neuen Leuten, mit neuem liberalen Stil. Das wird uns auch diesmal gelingen. Es gibt eine große Marktlücke für liberale Ideen, die können wir füllen. Die CDU wir in der neuen Großen Koalition weiter nach rechts rücken, schon um die AfD kleinzuhalten. Die SPD besetzt die sozialen Themen und rückt nach links. Da ist dann Platz für die FDP als Partei der bürgerlichen Mitte.

»Wir kommen zurück mit neuen Leuten und neuem liberalen Stil«

Was muss nun inhaltlich geschehen, muss sich die Partei generell neu ausrichten?

Haussmann: Die FDP muss die Lücke in der bürgerlichen Mitte ausfüllen. Dafür müssen wir von vielen lernen. Wir müssen von den Schweizer Liberalen den freiheitlichen Gedanken übernehmen. Wir sollten nicht rechts-liberal sein, auch nicht links-liberal, sondern ur-liberal. Von den Neos und der Volt-Partei können wir diese Fortschritts-Orientierung und die europäische Leidenschaft lernen und übernehmen. Die positive Einstellung zur Veränderung. Das Lernen von anderen sollte unsere Maxime sein, nicht das Alte weitermachen. Wir müssen neue Ideen präsentieren, wir sind nicht fixiert auf Nur-Steuersenkung. Wir dürfen uns nicht verengen. Liberalismus im Sinne des FDP-Vordenkers Ralf Dahrendorfs heißt etwa, Lebenschancen zu bieten für alle durch beste Bildung.

Halten Sie den Rücktritt von Parteichef Cristian Lindner nach dieser Wahlniederlage für angemessen?

Haussmann: Er hat Verantwortung übernommen. Das ist ehrenhaft. Die FDP ist aus dem Bundestag geflogen. Das heißt, die institutionelle Vertretung der liberalen Ideen ist gefährdet. Deshalb ist es richtig von Lindner, Platz zu machen für neues Personal, für neue Ideen, für einen Neuanfang.

Zur Person

Helmut Haussmann (81) war von 1988 bis 1991 Bundeswirtschaftsminister unter Kanzler Helmut Kohl zur Zeit der Wiedervereinigung, er ist aktiver Kurator in der Bundeskanzler-Kohl-Stiftung und in der liberalen Stiftung für die Freiheit. Der FDP-Politiker war von 1976 bis 2002 Mitglied des Bundestags, von 1984 bis 1988 Generalsekretär der FDP. Haussmann ist Honorar-Professor an den Universitäten Tübingen und Nürnberg-Erlangen. Er ist verheiratet mit der promovierten Psychotherapeutin Dr. Margot Haussmann und lebt mit seiner Frau in Bad Urach. (oje)

Und mit welchem Personal soll dieser Neuanfang gelingen?

Haussmann: Ich werde unserem Präsidium den Vorschlag machen, Ex-Fraktionschef Christian Dürr zu überzeugen, den Parteivorsitz zu übernehmen. Und als seine Co-Vorsitzende wäre Marie-Christine Ostermann geeignet. Sie ist selbständige Unternehmerin und frühere Präsidentin der Familienunternehmer. So habe wir einen externen und einen internen Input. So hätten wir erfahrene und innovative liberale Kräfte. Das Duo bildet das ab, was die FDP jetzt braucht. Sie sind flügelübergreifende Liberale und stehen für fortschrittliche Ideen.

Aber Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Wolfgang Kubicki haben sich auch schon ins Gespräch gebracht...

Haussmann: Das halte ich für falsch. Die beiden alten Fahrensleute waren im Präsidium, sie stehen für altes Flügeldenken und sind mitverantwortlich für die Wahl-Niederlage. Das wäre nicht nach vorne gerichtet. Eine liberale Partei darf sich nicht auf zwei Oldies verlassen.