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Haustür, Smartphone, Altbewährtes: So läuft Wahlkampf 2017

DÜSSELDORF/BERLIN. Der Wahlkampf in Deutschland wird amerikanischer. Von Tür zu Tür ziehen die Wahlkämpfer dieses Jahr mit digitaler Unterstützung, »Big Data« soll beim Stimmenfang helfen. Was wird aus dem guten alten Wahlplakat?

ARCHIV - Katarina Barley, SPD-Generalsekretärin, zeigt in Berlin bei der Vorstellung der Kampa, der SPD-Wahlkampfzentrale für de
ARCHIV - Katarina Barley, SPD-Generalsekretärin, zeigt in Berlin bei der Vorstellung der Kampa, der SPD-Wahlkampfzentrale für den Bundestagswahlkampf 2017, den Aktivierungsplaner, mit dem die Wahlkämpfer besser planen können, wo Potentiale erreicht werden können. Foto: Michael Kappeler/dpa
ARCHIV - Katarina Barley, SPD-Generalsekretärin, zeigt in Berlin bei der Vorstellung der Kampa, der SPD-Wahlkampfzentrale für den Bundestagswahlkampf 2017, den Aktivierungsplaner, mit dem die Wahlkämpfer besser planen können, wo Potentiale erreicht werden können. Foto: Michael Kappeler/dpa
»Unser Wahlkampf wird 2017 so modern wie nie zuvor!«, schreiben CDU und Junge Union. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley sagt, ihre Partei mache den modernsten Wahlkampf überhaupt, von der »Kampa17« aus. Deutschland steckt mitten drin im Superwahljahr, nicht nur in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Und die Parteien überbieten sich darin, jung und kreativ zu sein. Oder?

Aus den beiden Ländern im Norden und Westen, wo an den beiden kommenden Sonntagen gewählt und zuvor die Kampfmethodik für die Bundestagswahl erprobt wird, erreichen die Republik vertraute Bilder. Der Kieler SPD-Ministerpräsident Torsten Albig lächelt direkt neben CDU-Herausforderer Daniel Günther von riesigen Plakaten. Die Düsseldorfer Regierungschefin Hannelore Kraft sitzt an der Kaffeetafel mit SPD-Fähnchen. Ihr Konkurrent Armin Laschet winkt mit CDU-Chefin Angela Merkel von der Bühne. Und alle reden vom Haustürwahlkampf.

Das unangemeldete Klingeln beim Wähler ist in diesem Jahr wichtiger, sagt der Mainzer Politikwissenschaftler Thorsten Faas. Grüne und SPD hätten schon 2013 darauf gesetzt, nun komme die CDU verstärkt dazu. Ihr Generalsekretär Peter Tauber rief jüngst mit einer »Übungstür« samt digitalen Gesprächspartnern für seine Wahlkämpfer Aufsehen und ein bisschen Spott hervor.

Dass diese Uralt-Wahlwerbung wieder modern sei, habe mit den USA zu tun, sagt Faas. Dort habe sie sich als sehr wirksam erwiesen, was auch in Deutschland registriert worden sei. »Wir können also in diesem Wahljahr nicht nur auf den Paketboten, sondern auch die Parteien warten.«

Ob »Mobilisierungsplaner« oder »Wahlatlas«: Parteien wissen, wo sich das Klingeln lohnt, wo Familien, Gutverdiener, Arbeitslose, Nichtwähler, Sozial- oder Christdemokraten wohnen. So wird der Wahlkampf effizienter - ohne den Datenschutz zu verletzten, wie alle betonen. Eben doch nicht wie in den USA, wo Demokraten und Republikaner Angaben zu einzelnen Wählern speichern. »Hier in Deutschland operiert man auf der Ebene von Stimmbezirken oder Straßenzügen«, erklärt Wahlforscher Faas.

Unterstützt werden Politiker und Basis beim Abklappern der Wähler auch von Apps. »Tür zu Tür« heißt die der SPD, »Connect17« die der CDU. Sie helfen beim Kontakt mit dem Wähler, nach dem Gespräch können Infos einfach gespeichert werden. Unionswahlkämpfer können sogar Punkte sammeln und »zum Wahlkampf-Helden aufsteigen«. Auch die Grünen testen gerade eine App, sie soll im Sommer vorgestellt werden.

Auch die Bedeutung des Internet-Wahlkampfs steigt. Social-Media-Experten loben etwa FDP-Chef Christian Lindner, der besonders gut verstanden habe, wie Facebook und Co. ticken. Er filmt sich zum Beispiel im Auto, das wirkt persönlich und nah. Was Aufmachung und Reichweite betreffe, sei die AfD im Netz »ganz vorne mit dabei«, sagt Wahlforscher Faas. »Bestimmte Logiken sozialer Medien kommen populistischen Parteien einfach entgegen.«

Aber welche Wahlwerbung zieht? Das hängt davon ab, ob - und wie - die Wähler sich darüber austauschen. Studien zeigen, dass vor allem Gespräche zwischen Menschen, die sich nahestehen, stark meinungsbildend wirken können, wie der Kommunikationswissenschaftler Christian Wiencierz sagt. Wenn Ehepaare oder Freunde über die Parteien reden, bewegt das mehr als der Smalltalk beim Bäcker.

Erinnerten sich die Befragten positiv an die Gespräche, bewerteten sie auch Partei und Kandidaten positiv. Zudem ergab seine Studie zum Vertrauen in politische Parteien, dass auch klassische Wahlplakate und Werbespots hohe Aufmerksamkeit erzeugen und zu Gesprächen anregen. »Deswegen würde ich sie aus Parteiensicht nicht grundsätzlich verteufeln«, sagt der Experte der Universität Münster.

Das Aus für Klassiker wie Großflächen-Plakate oder Slogans und Gesichter am Laternenmast steht also nicht an. Die Grünen wollen im Bundestagswahlkampf diesmal sogar mit doppelt so vielen Großplakaten werben wie vor vier Jahren. Auch Stände auf dem Marktplatz und in der Fußgängerzone sterben nicht aus. Wahlkampf-Beobachter Faas hat dafür eine einfache Erklärung: Die Parteien verzichten darauf schon deshalb nicht, weil die anderen es machen und es ja etwas bringen könnte. »Das hat durchaus die Logik von Wettrüsten.« (dpa)