LONDON. Die britische Regierung will den Bau einer neuen Generation von Mini-Atomkraftwerken anstoßen. Premierminister Keir Starmer erklärte am Donnerstag, dass er das Planungsrecht ändern werde, um eine schnellere und billigere Konstruktion von sogenannten Small Modular Reactors (SMRs) zu ermöglichen. »Seit Jahrzehnten hat dieses Land keine Nuklear-Kraftwerke gebaut«, sagte Starmer. »Ich werde das beenden und die Regeln ändern, um die Bauleute dieser Nation zu unterstützen und Nein zu sagen zu den Blockierern, die schon viel zu lange unsere Chancen auf billigere Energie, Wachstum und Jobs abgewürgt haben.«
SMRs sind Atomkraftwerke im Kleinformat, die in einer Fabrik vorgefertigt und anschließend an einen Montageort verbracht werden können. Sie sollen sicherer und vor allem kostengünstiger als herkömmliche Nuklearkraftwerke sein und auch schneller errichtet werden können. Um den Prozess anzukurbeln, will Starmer hinderliche bürokratische Regularien abschaffen. Die Reform »archaischer Plaungsregeln« soll das Genehmigungsverfahren erleichtern, Investitionen ermutigen und die Entwicklung neuer Projekte für eine größere Auswahl an Standorten ermöglichen. Großbritannien war einst der weltweite Pionier in der zivilen Nutzung von Atomkraft, als 1956 das Kernkraftwerk Calder Hall ans Netz ging. Das letzte Kraftwerk wurde allerdings vor dreißig Jahren gebaut. Heute gibt es im Königreich nur noch fünf Meiler, die rund sechs Gigawatt Energie, genug für 13 Millionen Haushalte, produzieren. Alle werden demnächst das Ende ihrer Laufzeit erreichen. Zwei neue Atomkraftwerke herkömmlicher Bauart sollen die Energielücke schließen. Hinckley Point C in der Grafschaft Somerset wird gerade gebaut, während Sizewell C in der Grafschaft Suffolk sich noch in der Entwicklungsphase befindet.
Darüber hinaus will jetzt die britische Regierung erstmals SMRs errichten lassen. Noch handelt es sich dabei um eine Zukunftstechnologie und bisher wurde noch kein kommerziell operativer Kleinreaktor gebaut. Doch die neue Generation von Mini-Atomkraftwerken soll Großbritannien im globalen Wettbewerb entscheidend helfen, so Starmer. »Andere Länder rennen uns davon«, sagte der Premier, »China hat 57 Atommeiler, die genug saubere und erschwingliche Energie für 38 Millionen Haushalte produzieren.« Weitere 29 Meiler werden dort gebaut, und auch in der EU befinden sich zwölf Kernkraftwerke in der Planungsphase, ließ die Regierung verlauten: »Das gibt diesen Ländern einen großen Vorteil im globalen Rennen, neue Technologien nutzbar zu machen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und sauberere, billigere und unabhängige Energie zu erzeugen.«
Industrielle Revolution
In Deutschland denkt die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) über einen Ausstieg aus dem Atomausstieg nach. Der SPRIND-Chef Rafael Laguna de la Vera sagte gegenüber Politico, dass es sich bei Mini-Reaktoren um »eine wichtige industrielle Revolution der kommenden Jahre« handele, die Deutschland nicht verpassen dürfe, denn sie seien »effizient und sicher«. Auch der CDU-Abgeordnete Jens Spahn ist SMRs gegenüber aufgeschlossen. »Uns die Option Kernkraft zu erhalten, ist in unserem nationalen Interesse«, sagte Spahn gegenüber Politico. »Wenn eine neue Generation kleiner und abfallarmer Kernkraftwerke marktreif ist, sollten wir sie auch nutzen. Der Energiebedarf wird in der digitalen Welt größer statt kleiner.« (GEA)