Logo
Aktuell Umwelt

Grüner Geltungsdrang

Als ob der Klimawandel nicht Kampf genug ist, bestimmt Machtpolitik die anstehende COP29-Konferenz

Annalena Baerbock mit ihrer Sonderbeauftragten Jennifer Morgan. FOTO: GATEAU/DPA
Annalena Baerbock mit ihrer Sonderbeauftragten Jennifer Morgan. FOTO: GATEAU/DPA
Annalena Baerbock mit ihrer Sonderbeauftragten Jennifer Morgan. FOTO: GATEAU/DPA

BERLIN. Aserbaidschan gilt als einer der korruptesten Staaten weltweit, bezieht über 90 Prozent seiner Energie aus fossilen Brennstoffen und war zuletzt in den Medien, da es sich die Region Bergkarabach kompromisslos einverleibte. Doch scheinen diese Tatsachen nebensächlich, wenn Autokrat Ilham Alijew in knapp einem Monat zu sich in die Hauptstadt Baku einlädt. Es ist ein Treffen der Superlative mit knapp 200 Staaten, die zur 29. Weltklimakonferenz anreisen. Verhandlungsführerin für Deutschland ist Außenamts-Staatssekretärin Jennifer Morgan. Sie erklärt am Freitag bei einer Konferenz, warum ihr in Baku genau das gelingen soll, was bisher noch nie gelungen ist.

»Die schwierige Geopolitik bestimmt die Verhandlungen der Klimakonferenz mit«

Leicht werden die zweiwöchigen Gespräche für die ehemalige Greenpeace-Klimaaktivistin nicht werden. Morgan stellt gleich zu Beginn klar: »Die Klimakonferenz findet natürlich in keinem luftleeren Raum statt. Die schwierige Geopolitik bestimmt die Verhandlungen mit.« Auch das zentrale Thema der Konferenz verspricht reichlich Streit. Denn es geht, wie in der Politik üblich, um Geld. Um viel Geld, wenn es nach dem Klima-Anpassungsindex der Entwicklungsorganisation Brot für die Welt geht. Die Studie prognostiziert, dass ab 2026 jährlich etwa 400 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung nötig sein werden. Die Klimafinanzierung kommt den Entwicklungs- und Schwellenländern zu, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind.

Dahinter steht die grundsätzliche Idee, dass die Industrieländer als Hauptverursacher des Klimawandels für die Folgen aufkommen müssen, die sich verstärkt in den Entwicklungs- und Schwellenländern niederschlagen. Der moderne grüne Ablasshandel von insgesamt 100 Milliarden Dollar jährlich wurde 2009 in Kopenhagen beschlossen, ab 2020 gezahlt und im Pariser Klimaabkommen bis 2025 verlängert. Nun soll ein neues internationales Klimafinanzierungsziel (New Collective Quantified Goal, kurz NCQG) her.

So viel steht fest, über alles Weitere wird in Baku vom 11. bis zum 24. November gestritten. Geht es nach der Klimawissenschaft und den begünstigten Ländern, muss das NCQG die bisherige Finanzierung wesentlich übersteigen. Hört man auf die EU und USA, sprechen diese weiterhin von 100 Milliarden. China möchte gar nichts zahlen. Und Deutschland?

Reiht sich, wie im Themenfeld der internationalen Klimapolitik üblich, in die europäische Verhandlungsposition ein. Morgan stellt klar: »Wenn es über 100 Milliarden geht, dann wollen wir Beiträge von neuen Ländern sehen. Wir erwarten, dass reiche Länder, die im Moment keinen Betrag leisten, mitzahlen.« Dabei gibt es einen bestimmten Adressaten: China.

Dies mag logisch erscheinen, China stößt mittlerweile weltweit am meisten Kohlenstoffdioxid aus. Doch für Deutschland und die EU sind machtpolitische Interessen vorrangig. Die EU versucht, ihre viel beschworene Vorreiterrolle in der internationalen Klimapolitik zu füllen und sich weiterhin als die bestimmende Kraft, zumindest in diesem Politikfeld, zu etablieren. Der europäische Schulterschluss wähnt sich in der Position, konkrete Forderungen an China zu stellen. Morgan geht sogar noch weiter: »Ich merke, China will mit der EU zusammenarbeiten. Wir können ihren Lernprozess durch unser Know-how beschleunigen.«

»Wir erwarten, dass reiche Länder, die im Moment keinen Betrag leisten, mitzahlen«

Ob dies gelingen wird, bleibt offen. Denn mit Saudi-Arabien als Partner sitzt der Europäischen Union ein mächtiges bilaterales Gespann gegenüber. Und gerade bei der Frage nach den erneuerbaren Energien sind die europäischen Länder untereinander zerstritten. Besonders bei der Atomenergie sind sich Deutschland und Frankreich nicht grün. Morgan betont: »Deutschland bleibt beim Ausstieg aus der Atomkraft.« Die Außenamts-Staatssekretärin spricht von Polen als Tandempartner, man habe für den »globalen Ausstieg aus der Kohle eng zusammengearbeitet«. Der EU fehlt somit ihr deutsch-französischer Motor.

Dass Ungarn derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, verkompliziert die Ausgangslage. Morgan tritt dennoch selbstbewusst auf, die EU sei sich »sehr einig«. Dies vorrangig in einem Punkt: »Wir erwarten, dass China ein Reduktionsziel präsentiert, dass mit dem 1,5-Grad-Ziel übereinstimmt.« Wer auf die große Bühne wolle, müsse auch Verantwortung übernehmen. Sobald es jedoch um diese Weltmacht-Verantwortung im Kontext von Menschenrechten geht, ringt auch Morgan. Zwar seien sie »sehr besorgt« und stünden mit Aserbaidschan im Austausch. Doch als Korrektiv scheint vor allem die internationale Aufmerksamkeit zu dienen, die auf Baku liegt. Immerhin werde das Gastgeberland am Ausgang der Klimakonferenz gemessen. (GEA)