REUTLINGEN. Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau. Das gilt auch für Robert Habeck, seine rechte Hand ist Franziska Brandtner. Die zwei sind das perfekte Team: der Denker und die Macherin. Der Wirtschaftsminister präsentiert die Ergebnisse der Öffentlichkeit, die Parlamentarische Staatssekretärin schafft Fakten hinter den Kulissen. Die gemeinsame Mission: Rettung der Grünen.
Denn die Partei hat es schwer. Nach dreieinhalb Jahren in Regierungsverantwortung ist der Ruf ramponiert. Die Liste der Schmähungen ist lang: Die Grünen handeln ideologisch statt pragmatisch, machen Vorschriften und erlassen Verbote, fördern Minderheiten auf Kosten der Mehrheit. Geschröpft werden Wirtschaftsbosse und Besserverdiener. Gepäppelt werden Umwelt und Klima, Bürgergeldempfänger, Flüchtlinge und Queere. Geld wird von oben nach unten umverteilt. Soweit das Klischee.
Unternehmen zukunftsfit machen
So gar nicht ins Bild der woken Öko-Diktatorin passt Brandter. Wer die Bundespolitikerin live erlebt, der wirft sämtliche Grünen-Vorurteile über den Haufen. Gelegenheit dazu hatten jüngst die Reutlinger Familienunternehmer. Sie empfingen Brandtner am Freitag zum politischen Abendessen auf der Achalm. Im Gespräch mit Moderator Rainer Knauer verpasste Brandtner den Grünen ein neues Image.
Brandtner gibt die Wirtschafts-Freundin. Sie will deutsche Unternehmen zukunftsfit machen und hat konkrete Maßnahmen im Gepäck: Gesetze werden entrümpelt, Zuständigkeiten gebündelt, Bürokratie entschlackt. Firmen, die in Zukunftstechnologien investieren, werden gefördert, Energiepreise gedrosselt, Bahn, Kita und Schule saniert. Alles mit finanzieller Unterstützung vom Staat. Der beschafft sich das Geld dank gelockerter Schuldenbremse über Kredite.
Keine unbezahlbaren Wahlversprechen
Was die Wirtschaft freut, das ärgert die Jugend: Das Wachstum auf Pump müssen folgende Generationen Jahrzehnte abbezahlen. Darum tritt Brandtner bei den Ausgaben auf die Bremse. »Wir können uns nicht alles leisten, was wir gerne hätten«, räumt sie ein. »Wir machen keine Wahlversprechen, für die wir keine solide Gegenfinanzierung haben.« Die Erhöhung der Mütterrente sei nicht drin, gibt Brandtner ein Beispiel – und versetzt damit der bayerischen CSU einen Seitenhieb.
Brandtner ist Pragmatikerin. Sie weiß: Nur wenn die Wirtschaft brummt, dann bleibt der Wohlstand. Dann kann die arbeitende Mitte entlastet werden – mit Steuersenkungen, 15 Euro Mindestlohn und günstiger Kinderbetreuung. Mit stabilen Sozialbeiträgen, weil auch Kapitalerträge herangezogen werden. Mit auskömmlichen Renten, weil auch Geld aus Aktienfonds einfließt.
Partei-Chefin und alleinerziehende Mutter
Das große Ausmisten, Umkrempeln, Neusortieren: Brandtner traut man es zu. Dafür ist sie hemdsärmelig, zupackend, energisch genug. Auf Fragen der Reutlinger Familienunternehmer antwortet sie knapp, klar und direkt. Die Frau hat Ahnung, das merkt man. Sie ist diejenige, die im Maschinenraum ackert, das Rad am Laufen hält, die Details kennt. Die rumreist, verhandelt, Kompromisse schmiedet. Das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Staatenverbund Mercosur zum Beispiel hat Brandtner mit eingetütet. »Handelsreisende für Europa« wurde sie seinerzeit genannt, erzählt sie schmunzelnd.
Der Weg in die Welt war weit. Brandtner stammt aus Baden-Württemberg. Geboren in Lörrach, aufgewachsen in Neuenburg, Abitur in Freiburg. Dann der Aufbruch: Ihr Studium absolvierte sie an Eliteunis: Sciences Po in Paris, Columbia University in New York, Oxford in England. Danach ging sie in die Politik: 2009 Europaparlament, 2013 Bundestag, 2021 Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2024 Parteichefin. Eine steile Karriere, welche die alleinerziehende Mutter an die Spitze der Grünen führte.
In Krisen-Zeiten zählen Brot-und-Butter-Themen
Dort ersetzen Brandtner und ihr Co-Chef Felix Banaszak das Vorgänger-Duo Ricarda Lang und Omid Nouripour. Die beiden waren nach einer Reihe von Wahlniederlagen der Grünen zurückgetreten. Damals, Ende letzten Jahres, mussten neue Gesichter und neue Konzepte her.
Die Zeit der Fundis ist vorbei, die Ära der Realos bricht an. In einer Phase der Krisen, wo Deutschlands Sicherheit, Wohlstand und Lebensstil durch internationale Konflikte bedroht werden, da zählen für die Menschen Brot-und-Butter-Themen. Da geht es mehr um Überleben als um Dolce Vita. Oder mit den Worten des deutschen Dramatikers Bertolt Brecht: »Erst das Fressen, dann die Moral.«
Gegengewicht zu Habeck
Brandtner ist dafür die richtige Frau. Sie ist Realo genauso wie Habeck. Mit ihrer nüchternen, sachlichen Art schafft sie jedoch ein Gegengewicht zu dem leicht zerknautscht wirkenden Literaten und Philosophen aus Norddeutschland. Habeck denkt laut, erklärt seine Politik, gesteht Fehler. Das macht ihn sympathisch. Verleiht ihm aber auch den Nimbus des verschwurbelten Elfenbeinturm-Bewohners - und nervt mit der Zeit.
Habeck hat als Wirtschafts- und Klimaminister vieles richtig gemacht: zum Beispiel die Gaskrise gemeistert, die Inflation gedrosselt, den Atomausstieg durchgesetzt. Er hat aber auch vieles vermasselt. Man erinnere sich etwa an das Chaos ums Heizungsgesetz, das abrupte Ende der Elektroauto-Förderung oder die Wirtschaftsrezession zwei Jahre in Folge.
Kuschelkurs mit Union
Auch jetzt noch, kurz vor der Bundestagswahl, setzt Habeck nicht auf Argumente, sondern auf Gefühle. Er führt einen Wohlfühl-Wahlkampf, wirbt auf Plakaten mit dem Schlagwort »Zuversicht«.
Da kommt Brandtner schon handfester daher. Bei ihr gibt es Schnittmengen mit CDU/CSU, etwa in Sachen Förderung von Wirtschaft, Technologie und Zukunftsfähigkeit. Nur mit derlei Themen können die Grünen sich in die nächste Regierung retten. Aufs Kanzleramt haben sie keine Chance, schon eher auf den Platz als Juniorpartner in einer Koalition unter Führung der Union.
Das weiß auch Habeck. Darum fährt er neuerdings einen Kuschelkurs, bietet Union und SPD einen Migrationskompromiss an. Ob der Schwenk reicht, wird sich bei der Wahl am 23. Februar zeigen. Brandtner ist auf jeden Fall die richtige Gallionsfigur für den Richtungswechsel. (GEA)