Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wies den Vorwurf von Bahn-Chef Rüdiger Grube zurück, das Land verweigere sich trotz geltender Verträge einfach. »Wir gehen in keine Schmollecke«, widersprach Kretschmann. Jedoch werde Grün-Rot nicht mehr als die zugesagten 930 Millionen Euro zahlen. »Von dieser Position rücke ich überhaupt nicht ab.«
Nach der FDP legte nun auch die CDU Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) den Rücktritt nahe. Der S21-Gegner Hermann müsse nach dem Volksentscheid nun gegen seine Überzeugung S21 unterstützen. »Insofern sollte sich Herr Hermann jetzt ganz persönlich die Frage nach seinem politischen Anstand stellen, ob er dieses Amt noch ausfüllen kann«, erklärte CDU-Landeschef Thomas Strobl.
Die SPD stellte sich erneut vor Hermann. »Die CDU hat ja die Volksabstimmung immer abgelehnt und zeigt auch jetzt, dass sie die Funktionsweise der Demokratie noch nicht verstanden hat«, sagte Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD) der dpa. »Wenn Minister zurücktreten müssten, wenn demokratische Entscheidungen anders ausfallen, als sie sich das vorgestellt haben, dann hätten nach der Atomwende die ganze Bundesregierung zurücktreten müssen.«
Özdemir sagte, es sei ein "starkes Stück", dass der Konzern bis zum Volksentscheid erklärt habe, der Rahmen von 4,5 Milliarden Euro werde nicht gesprengt, um danach nur noch über Mehrkosten zu sprechen. Kretschmann will Stuttgart 21 nach dem Plebiszit aktiv unterstützen. "Wir haben eine Projektförderpflicht. Die werden wir wahrnehmen", stellte Kretschmann klar. "Wir werden dieses Projekt produktiv begleiten." Am Montag hatte Bahn-Vorstand Volker Kefer erklärt, eine "kritische" Begleitung" seitens des Landes reiche nicht mehr aus.
Der Regierungschef zeigte sein Unverständnis über Kefers Äußerung. »Von ablehnend-kritisch zu konstruktiv-kritisch: Das ist ja wohl ein ziemlicher Wechsel, der uns da zugemutet wird.« Selbstverständlich werde das Land aber kritisch darauf achten, dass das Projekt gut geplant und der Kostenrahmen eingehalten werde. »Dass wir die Dinge kritisch begleiten, das gehört zu unserer Zivilisation seit Sokrates.«
Land und Bahn hätten in der Frage, wann die Sprechklausel gezogen werden kann, unterschiedliche Rechtsauffassungen. Aus Sicht des Landes müsse die Klausel wirksam werden, wenn sich Kostensteigerungen andeuten. Nach der Deutung der Bahn gehe dies erst, wenn die Kosten bereits aus dem Ruder gelaufen sind. »Da bin ich genau in der Situation, in die ich nicht kommen will.« CDU-Fraktionschef Peter Hauk warnte die Grünen vor »taktischen Spielchen und Ablenkungsmanövern.«
Der frühere S21-Schlichter Heiner Geißler sieht die Finanzierung als »Kardinalfrage« an. Bei großen Kostensteigerungen müsse man entweder neu verhandeln oder umsteigen auf den von ihm vorgeschlagenen Kombibahnhof. »Das würde 1,5 Milliarden Euro sparen«, sagte der frühere CDU-Generalsekretär der »Stuttgarter Zeitung«. Geißler hatte zum Ende der Schlichtung eine Kombination aus Tief- und Kopfbahnhof vorgeschlagen. Außer den Grünen konnte sich jedoch niemand dafür erwärmen.
