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Aktuell Kommentar

Gaza: Genozid oder Notwehrexzess

Forderungen nach einem Waffenstillstand in Gaza müssen erlaubt sein, analysiert GEA-Redakteur Martin Zimmermann.

»Cease Fire Now« (Waffenstillstand jetzt) steht auf dem Rücken vom Jurymitglied Verena Paravel.
»Cease Fire Now« (Waffenstillstand jetzt) steht auf dem Rücken vom Jurymitglied Verena Paravel. Foto: Monika Skolimowska/dpa
»Cease Fire Now« (Waffenstillstand jetzt) steht auf dem Rücken vom Jurymitglied Verena Paravel.
Foto: Monika Skolimowska/dpa

REUTLINGEN. Bei der Berlinale trugen einigen Preisträger als Zeichen der Solidarität Palästinensertücher, einige Filmschaffende forderten mit auf den Rücken geklebten Zetteln einen Waffenstillstand in Gaza und ein Ende der deutschen Waffenlieferungen an Israel. US-Regisseur Ben Russell verurteilte - ebenso wie Brasiliens Präsident Lula - Israels Gaza-Krieg als Genozid, also als Völkermord. Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte nun, er könne diese »einseitige Positionierung« so nicht stehen lassen.

Völkermord oder Genozid ist ein juristischer Straftatbestand, der seit 1948 durch eine UN-Konvention definiert ist, durch die »Absicht, eine ethnische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören«. Ob dieser Fall in Gaza vorliegt, müsste der Internationale Strafgerichtshof untersuchen, der allerdings nur auf Antrag des Weltsicherheitsrates tätig wird. Zu einer solchen Anklage gegen Israel wird es nicht kommen, so lange die USA Vetomacht im Sicherheitsrat sind. Der Vorwurf des Genozids gegen Israel impliziert aber auch auf polemische Weise, dass die Juden ihre moralische Überlegenheit aufgrund des an ihnen verübten Ur-Genozids, des Holocausts, verlieren würde. Deshalb sollte der juristische Begriff des Genozids nicht polemisch verwendet werden.

Es ist im Völkerrecht unstrittig, dass sich Israel gegen den Angriff der Hamas verteidigen darf. Im Artikel 33 des Strafgesetzbuchs gibt es aber auch den strafbaren Notwehrexzess. Einen Angreifer zu töten, der bereits kampfunfähig war oder der seinen Angriff abgebrochen hat, ist strafbar. Zu überprüfen, ob in Gaza ein Notwehrexzess auf völkerrechtlicher Ebene vorliegt ist legitim. Die Forderung diesen Notwehrexzess mit einem Waffenstillstand zu beenden, ist deshalb ebenso legitim, wie ein Ende der deutschen Waffenlieferungen zu fordern, die dann eine Beihilfe zu einem solche Exzess wären. Diese Meinungsäußerung sollte auch Filmschaffenden gestattet sein.