REUTLINGEN. Im ersten Moment scheint es besorgniserregend, dass ein signifikanter Teil der Jugend nach dem Schulabschluss nicht gleich eine Ausbildung beginnen will. Doch das wird nur zum Problem, wenn die fehlende Berufsqualifikation zum Dauerzustand wird. Es sollte sehr zu denken geben, dass die berufliche Orientierung vielen jungen Menschen immer noch nicht bei der Entscheidung hilft, welche Tätigkeit sie ausüben wollen. Für viele ist ein Aushilfsjob der erste Kontakt mit der Berufswelt und kann bei dieser Entscheidung helfen. Im besten Fall öffnet er die Türe in eine Ausbildung, für welche die Schulnoten nicht ausgereicht hätte.
Der Drang nach Freiheit, Unabhängigkeit, sich etwas leisten zu können, ist zudem mehr als verständlich. Erste Schritte in die Selbstständigkeit, ohne feste Bindung, sind nichts Schlechtes und verlockend. Besonders wenn mancher Hilfsjob in Gastronomie oder Tourismusbranche in einer Woche mehr Trinkgeld abwirft, als der Mindestsatz für die 40-Stunden-Woche eines Handwerkslehrlings im ersten Lehrjahr.
Vielleicht brauchen junge Menschen nach der Hauptschule oder der mittleren Reife Zeit, um zu entscheiden, ob sie doch noch einen höheren Abschluss erringen wollen. Wenn ein Abiturient nach dem Abschluss mit »Work&Travel« oder ähnlichen Programmen durch die Weltgeschichte reist, bewerten wir das positiv, weil er seinen Horizont erweitert. Die Jungen mit niedrigen oder schlechten Bildungsabschlüssen sollen aber doch bitte sofort in den Arbeitsmarkt einsteigen. Diese Forderung ist bigott.

