BERLIN. Die erste Hürde hat Friedrich Merz genommen – die zweite steht an diesem Freitag vor ihm. Nachdem der Bundestag dem Billionenpaket für Infrastruktur, Klimaschutz und nationale Sicherheit zugestimmt hat, zeichnet sich zwar auch im Bundesrat die für eine Grundgesetzänderung erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit ab.
Mehrere FDP-Landtagsfraktionen wollen allerdings mit Klagen vor den jeweiligen Landesverfassungsgerichten in letzter Minute noch eine Zustimmung ihrer Länder im Bundesrat verhindern. Neben der FDP-Fraktion in NRW sind das die liberalen Fraktionen in Hessen, Baden-Württemberg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Ihrer Ansicht nach ist das Lockern der Schuldenbremse für Bund und Länder ohne Beteiligung der Landesparlamente ein Verstoß gegen die Verfassungsautonomie der Länder. Von den 69 Mitgliedern der Länderkammer müssen 46 für die Pläne von Union und SPD stimmen – versüßt wird ihnen das nicht zuletzt durch die Aussicht auf 100 Milliarden Euro aus dem neuen Investitionstopf, die direkt an die Länder gehen sollen. Die Landesregierungen, an denen ausschließlich Union, SPD und Grüne beteiligt sind, kommen zusammen zwar nur auf 41 Stimmen. Mit den sechs Stimmen aus Bayern ist das Zwei-Drittel-Quorum nach der Einigung von CSU und Freien Wählern allerdings erreicht, wenn auch nur mit einer Stimme über dem Durst.
Kein Stimmen-Splitting
Außerdem will offenbar auch das rot-rot-grün regierte Bremen zustimmen. Unklar war bei Redaktionsschluss noch, wie Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz sich verhalten, in deren Landesregierungen die FDP beziehungsweise das BSW oder die Linkspartei sitzen – also erklärte Gegner der Milliardenpläne von Union und SPD. Das Grundgesetz erlaubt jedoch keinen Stimmen-Split: »Die Stimmen eines Landes können nur einheitlich und nur durch anwesende Mitglieder oder deren Vertreter abgegeben werden.« Deshalb enthalten sich Landesregierungen in strittigen Fällen üblicherweise, ihre Stimmen werden dann faktisch wie ein Nein gewertet
Nimmt man den sogenannten Königsteiner Schlüssel als Maßstab, nach dem unter anderem die Finanzierungsanteile der Länder an großen Forschungseinrichtungen, aber auch die Verteilung von Flüchtlingen geregelt werden, würden über zwölf Jahre verteilt knapp 16 Milliarden Euro aus diesem Fördertopf nach Bayern fließen. Baden-Württemberg erhielte etwas mehr als 13 Milliarden aus dem 100-Milliarden-Topf. Größter Profiteur wäre Nordrhein-Westfalen mit 21 Milliarden, während das kleine Bremen nur knapp eine Milliarde bekäme. Auf Hessen entfielen bei einer Verteilung nach diesem Schlüssel etwa 7,5 Milliarden Euro.
Die Aussicht auf Geld vom Bund hat schon so manche Landesregierung von ihrer Linie abweichen lassen. Als Gerhard Schröder 1999 eine große Steuerreform durch den Bundesrat bringen musste, seine rot-grüne Koalition dort aber keine Mehrheit hatte, musste Finanzminister Eichel ebenfalls tief in die Tasche greifen.
Geld fürs Stadion
Die in Rheinland-Pfalz mitregierende FDP gewann er damals mit einer weiteren Senkung des Spitzensteuersatzes um einen Prozentpunkt, Meck-Pomm bekam als Gegenleistung für seine Stimmen eine Ausfallbürgschaft für ein Kraftwerk, Brandenburg Geld für neue Straßen, und Berlin Bundeshilfen für den Umbau des Olympiastadions vor der WM 2006. Bremen versprach der Kanzler gar einen Investitionszuschuss von einer Milliarde Mark. Tatsächlich aber floss am Ende nicht einmal die Hälfte davon in die Hansestadt. Die Steuerreform aber war da schon beschlossene Sache. (GEA)