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Erster Rentenkrach von Schwarz-Rot

Arbeitsministerin Bärbel Bas will Beamte und Selbstständige einzahlen lassen. Doch daran gibt es Kritik

Foto: Kay Nietfeld/dpa
Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN. Die Zukunft der gesetzlichen Rentenversicherung steht auf wackligen Beinen. Das gilt allerdings seit vielen Jahren. Vor durchgreifenden Reformen haben sich inzwischen bereits mehrere Bundesregierungen gescheut. Auch der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD bleibt beim Thema Rente vage. In diese Interpretationslücke ist nun die neue Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) gestoßen. »Wir müssen mehr Leute an der Finanzierung der Rentenversicherung beteiligen«, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »In die Rentenversicherung sollten auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige einzahlen. Wir müssen die Einnahmen verbessern.«

Das Echo auf den Vorstoß kam prompt und war deutlich. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann antwortete via Bild am Sonntag: »Frau Bas sollte nicht versuchen, der Renten-Kommission alte SPD-Ideen als zukünftiges Ergebnis vorzuschreiben.« Die Einbeziehung dieser Gruppen löse weder die Probleme der Rentenversicherung, noch sei das vom Koalitionsvertrag gedeckt. Tatsächlich ist im Koalitionsvertrag von einer Einbeziehung der Beamten in die staatliche Rentenversicherung nicht die Rede. Angekündigt wird dort nur, neue Selbstständige, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem zugeordnet sind, künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Entwarnung kommt schon im nächsten Satz: »Andere Formen der Altersvorsorge, die eine verlässliche Absicherung für Selbstständige im Alter gewährleisten, bleiben weiterhin möglich.«

Die wesentlichen Fragen zur Reform der Rente wurden so in eine noch zu bildende Kommission ausgelagert. Die Expertinnen und Experten sollen allerdings erst bis zur Mitte der Legislaturperiode Vorschläge vorlegen. Bis dahin bleibt alles im Wesentlichen beim Alten: Das Rentenniveau von 48 Prozent soll bis zum Jahr 2032 garantiert werden. Die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren bleibt und auch eine Erhöhung des Renteneintrittsalters ist vom Tisch. Stattdessen setzt die neue Regierung, wie bereits die Ampelkoalition, auf finanzielle Anreize, damit sich freiwilliges längeres Arbeiten mehr lohnt. Die absehbaren Mehrkosten sollen nicht über steigende Beiträge ausgeglichen werden, sondern über einen weiteren Anstieg des Steuerzuschusses für die Rentenkasse ausgeglichen werden. Mit der Ausweitung der Mütterrente gibt es sogar noch einen Zuschlag. Von Sparen also keine Spur.

Kommission soll es klären

Der SPD-Sozialexperte und bisherige Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Bundestag, Bernd Rützel, verteidigt seine Parteifreundin. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagte er: »Ich verstehe die Aufregung um den Vorschlag von Bärbel Bas gar nicht. Das ist Beschlusslage unserer Partei, findet sich in unseren Programmen.« Die Selbstständigen habe man bereits in der Ampel-Koalition in die gesetzliche Rente einbeziehen wollen. Vorbild für die Reformideen sei Österreich.

»Das Gerechte daran ist, dass alle ihren solidarischen Beitrag leisten. Durch die Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten würden die Beitragsbasis verbreitert und zunächst die Beiträge stabilisiert. Aber die Integration ist kein Pappenstiel, es braucht eine lange Übergangsphase«, erklärte Rützel. Unter Rentenexperten ist es umstritten, ob die Alpenrepublik tatsächlich als Modell für Deutschland gelten kann. Österreich hat zwar die Berechnung der Beamtenpensionen schrittweise an das System der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. Das hat grundsätzlich zu einer Angleichung der Altersbezüge geführt. Allerdings gibt es für die Beamten eine weitere Säule der Absicherung, und an der grundsätzlichen Trennung der beiden Rentensysteme hat man festgehalten. Deutschland muss die stetig wachsenden Finanzlöcher der gesetzlichen Rentenversicherung duch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt schließen. Im Jahr 2022 schoss der Bund 109 Milliarden Euro in die Rentenkasse. 2023 waren es bereits 112,5 Milliarden Euro – rund ein Viertel des gesamten Etats.

Als die beiden größten Probleme der beitragsfinanzierten Rentenkassen gelten die niedrige Geburtenrate sowie die steigende Lebenserwartung. Immer weniger arbeitende Menschen müssen den Ruhestand von immer mehr Rentnern finanzieren. Zudem hat sich die durchschnittliche Bezugsdauer der Altersrenten über die Jahre deutlich verlängert. Die durchschnittliche Rentenbezugsdauer bei den Versichertenrenten lag nach Zahlen der Deutschen Rentenversicherung 2023 bei den Männern bei rund 18,8 Jahren, bei den Frauen bei rund 22,1 Jahren (GEA)