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Entwicklungshilfe: Wer hilft da wem?

Entwicklungsministerin Svenja Schulze besucht Marokko. Dabei wird deutlich, wie sie ihr Ressort sieht

Die Grenze zwischen Marokko und Spanien bei Ceuta. Marokko ist als Transitland vieler Flüchtlinge wichtig für Europa.  FOTO: SEM
Die Grenze zwischen Marokko und Spanien bei Ceuta. Marokko ist als Transitland vieler Flüchtlinge wichtig für Europa. FOTO: SEMPERE/DPA
Die Grenze zwischen Marokko und Spanien bei Ceuta. Marokko ist als Transitland vieler Flüchtlinge wichtig für Europa. FOTO: SEMPERE/DPA

RABAT. Auslandsreisen von Politikern unterliegen einem strengen Protokoll. Darf die deutsche Entwicklungsministerin etwa in Marokko bei einer Eröffnungszeremonie ein Band in den rot-grünen Landesfarben durchschneiden? In manchen Ländern gälte das als Verletzung nationaler Symbole. Sollte Svenja Schulze also lieber die Plakette mit dem Namen der Einrichtung enthüllen? Bevor die Regierungsflieger abheben, gilt es solche Punkte zu erörtern, die über Scheitern oder Gelingen einer Verständigung entscheiden können – gerade, wenn es um so explosive Themen geht wie Migration.

Fachkräfte aus Marokko

Als die Wagenkolonne mit Svenja Schulze im belebten Universitätsviertel von Rabat an der neuen Zweigstelle des europäisch-marokkanischen Zentrums für Migration und Entwicklung eintrifft, sind die Feinheiten geklärt: Feierlich ein Tuch vom Schild ziehen, geht gar nicht. Dieser Akt gebührt in dem Land im Nordwesten Afrikas traditionell nur dem König. Und der ist an diesem warmen Vormittag Ende Januar nicht dabei, nicht persönlich zumindest. In dem kleinen Zelt, in dem die Feier stattfindet, steht ein Porträt von Mohammed VI. neben den Fahnen der Europäischen Union, Deutschlands und der Gastgeber.

Schulze wendet sich lächelnd an die Runde der hochrangigen Gäste um den marokkanischen Arbeitsminister. Younes Sekkouri zählt zur Riege der jüngeren, an westlichen Elite-Universitäten ausgebildeten Politikern, die für die beachtliche Modernisierung des Landes in den vergangenen Jahren stehen. Aufmerksam registriert der Mann jedes Wort der deutschen Ministerin. Die spricht von einer neuen, intensiveren Zusammenarbeit im Bereich der Migration: »Unsere Zentren spielen dabei eine zentrale Rolle«, sagt sie. In der Hauptstadt entsteht das siebte im Land. Hier können sich Marokkaner kostenlos beraten lassen, welche Berufe der deutsche Arbeitsmarkt braucht und welche Einreisevoraussetzungen es gibt.

Hinter der kleinen Eröffnungszeremonie steht ein großer Schritt, auf den die in der Migrationspolitik mächtig unter Druck stehende Bundesregierung seit Monaten hinarbeitet. Die deutsche und die marokkanische Seite wollen künftig nicht nur im Bereich Fachkräfte enger zusammenarbeiten, sondern auch und vor allem bei der Eindämmung illegaler Migration. Marokko will im Asylverfahren abgewiesene Landsleute schneller zurücknehmen. Es geht um vergleichsweise geringe Zahlen: Ausreisepflichtig waren in Deutschland zuletzt etwa 900 marokkanische Staatsbürger, darunter allerdings etliche Serienstraftäter.

Im weltweiten Migrationsgeschehen spielt das Königreich vor allem als Transitland eine gewichtige Rolle. Flüchtlinge aus ganz Afrika hoffen, von hier aus über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Rund 90.000 Menschen haben die marokkanischen Sicherheitskräfte im vergangenen Jahr daran gehindert, sich auf den Weg zu machen. Viele Migranten entscheiden sich zudem, im wirtschaftlich aufstrebenden Marokko zu bleiben.

Das selbstbewusste Königreich weiß, dass es als Türsteher für Europa unverzichtbar ist. Länder, die Kooperation in Migrationsfragen einfordern und etwa mit der Streichung von Entwicklungshilfe drohen, bissen zuletzt auf Granit. Auch in der deutschen Politik wird immer wieder eine harte Gangart gefordert. Aus dem Umfeld Schulzes heißt es: »Mit Druck geht gar nichts, Marokko ist auf unser Geld nicht angewiesen.« Zudem versuchten Russland und China, ihre Macht in Afrika auszuweiten. Das langfristige Engagement Deutschlands werde in Marokko dagegen wohlwollend registriert.

Entwicklungspolitik steht in der deutschen Haushaltskrise unter Dauerfeuer, wo immer gespart wird, wird darauf verwiesen, dass ja für Radwege in Peru noch Geld da sei. Doch für Schulze ist die Marokko-Mission ein Beleg, dass gemeinsame Projekte Deutschland Zugänge zu vielen Ländern eröffne. (GEA)