REUTLINGEN. 15 Millionen E-Autos und Hybride will die Bundesregierung bis zum Jahr 2030 auf deutschen Straßen sehen. Für den Klimaschutz klingt das gut. Doch für die Staatskassen könnte das Hochfahren der E-Mobilität zu hohen Einbußen führen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY hat ausgerechnet, dass schon in einem wahrscheinlichen Szenario von 13,2 Millionen E-Autos bis 2030 dem Staat rund 50 Milliarden Euro an Steuereinnahmen fehlen.
»Die größten Einnahmeausfälle ergeben sich bei den Energiesteuern«, so EY. Wenn weniger Benzin- und Dieselfahrzeuge, aber mehr Stromer auf Straßen unterwegs sind, macht sich das in der Staatskasse bemerkbar. Bisher ist die Stromsteuer nicht nur günstiger, als die Steuer auf Benzin und Diesel. Hinzu kommt noch, dass E-Autos einen mindestens doppelt so guten Wirkungsgrad erreichen, als durchschnittliche Verbrenner und deshalb weniger Energie verbrauchen.

Allein durch weniger Benzin- und Diesel-Autos an den Tankstellen fehlten dem Staat 2030 etwa 51,1 Milliarden Euro, hat EY ausgerechnet. Die Einnahmen aus dem Betrieb der Elektroautos durch die Stromsteuer betragen im Jahr 2030 hingegen nur rund 15,1 Milliarden Euro, woraus allein ein Defizit von 36 Milliarden Euro entstehe, so EY. Hinzu kommen die Steuervorteile für Elektrodienstwagen, wodurch dem Staat noch einmal 11,8 Milliarden Euro fehlen würden. Insgesamt entstünde der Bundesrepublik also ein Defizit von 47,8 Milliarden Euro.
Ziel der Bundesregierung unrealistisch
Wie teuer es den Staat aber wirklich kommt, hängt von mehreren Faktoren ab: Zum einen wird sich das Kfz-Steuersystem wohl verändern müssen. Und selbst wenn es mehr E-Autos gibt, ist noch nicht klar, wie viele davon tatsächlich 2030 auf deutschen Straßen fahren. Das Ziel der Bundesregierung von 15 Millionen halten führende Automobilexperten mit den bisherigen Maßnahmen für unrealistisch. Selbst ein Szenario von 13,2, Millionen E-Autos, wie es EY annimmt, sei ohne eine Neuordnung der Steuern, Abgaben und Subventionen rund um den Pkw nicht erreichbar, sagt etwa Urs Maier, Projektleiter beim Thinktank Agora Verkehrswende, der auch das Bundesverkehrsministerium berät. Der Expertenbeirat Klimaschutz in der Mobilität des Bundesverkehrsministeriums gehe von 10 Millionen E-Pkw aus und der Projektionsbericht der Bundesregierung sogar nur von 8 Millionen.
Auch die neuen Absatzzahlen stimmen pessimistisch. Allein im März 2024 brachen die Neuzulassungen von Autos mit batterieelektrischem Antrieb im Vergleich zum Vorjahresmonat um 29 Prozent ein. Der Abwärtstrend ist seit der Abschaffung der Umweltprämie für den Kauf von E-Autos zu beobachten. Ein Grund dafür könnte, so sagt etwa EY-Experte Constantin Gall, an einer Verunsicherung der Käufer liegen. Es gibt aber noch andere mögliche Ursachen, erklärt Urs Maier. Für große Flottenbetreiber würden E-Autos unattraktiver. Den Wegfall der Umweltprämie versuchten Hersteller teils mit großen Rabattaktionen zu kompensieren - mit gegenteiligem Effekt. Für große Flottenbetreiber würden E-Autos unattraktiver. Was das bedeutet, kann man unter anderem an den Ankündigungen der Autovermieter Sixt und Hertz beobachten. Diese wollen E-Autos aussortieren und neue Verbrennermodelle kaufen. Der Grund: Die Autovermieter kalkulieren mit hohen Restwerten ihrer Gebrauchtwagen. Durch die nun stark fallenden Preise bricht aber die Nachfrage für gebrauchte E-Fahrzeuge ein. Neue E-Autos rechnen sich deshalb für die Großkunden gerade nicht mehr.
E-Mobilität nicht zu stoppen
Automobil-Experten, darunter auch die Autoren der Studie von EY, gehen dennoch davon aus, dass sich E-Autos durchsetzen werden. »Alle Zeichen stehen auf E-Mobilität«, so Urs Maier. Bereits jetzt sei das weltweit und auch europaweit meistverkaufte Auto ein vollelektrisches, nämlich das Tesla Model Y. Neben Europa setze auch der für deutsche Autobauer so wichtige Markt in China voll auf Elektromobilität. Und die viel beschworene Alternative E-Fuels sei eigentlich keine, da der Wirkungsgrad zu schlecht und die Produktionskapazitäten zu gering seien. Hinzu komme, dass für die Neuwagenflotten der Automobilkonzerne in den kommenden Jahren EU-weit immer strengere CO2-Ziele gelten. Auch das führe dazu, dass an einem Markthochlauf der Elektromobilität kein Zweifel bestehen könne, so EY in einer Pressemitteilung. Im Geldbeutel der Verbraucher werde sich der Umstieg auf ein E-Auto über kurz oder lang zudem auszahlen. Die Betriebskosten eines E-Autos seien einfach viel geringer als die eines Verbrenners, so Urs Maier.
Klar ist dann aber: Der Staat muss die sinkenden Steuereinnahmen irgendwie kompensieren. Deshalb sei unter anderem eine Reform der Kfz- und Dienstwagenbesteuerung dringend nötig, so Agora-Projektleiter Maier. Wer einen Dienstwagen neu erwirbt, muss den geldwerten Vorteil bei Verbrennern bisher mit einem Prozent versteuern. Bei vollelektrischen Dienstwägen gilt hingegen nur ein Satz von 0,25 Prozent des Bruttolistenpreises. Das macht E-Autos zwar attraktiver in der Anschaffung als Dienstwagen - doch auch Verbrenner-Dienstwagen hätten immer noch einen deutlichen Steuervorteil. Es entstehe deshalb kaum eine Lenkungswirkung, so die Experten von Agora Verkehrswende. Sie schlagen daher eine Steuerreform vor, die den Pauschalsteuersatz für Verbrenner-Dienstwagen auf 1,5 Prozent anhebt, die Kfz-Steuer für alle Pkw auf die Erstzulassung konzentriert und dabei konsequent nach CO2 unterscheidet. Das baut die klimaschädlichen Subventionen für Verbrennerfahrzeuge ab und macht E-Autos attraktiver. Zusätzlich schlagen die Experten des Thinktanks eine fahrleistungsbezogene Pkw-Maut vor, deren Einnahmen speziell in die Infrastruktur der befahrenen Strecken gesteckt werden sollten. Dann könne auch mit einem hohen Anteil an E-Autos die Finanzierung des Erhalts von Straßen und Brücken garantiert werden.
Steuerausfälle müssen kompensiert werden
Auch die Experten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY halten eine Kfz-Steuerreform für nötig. Sie schlagen eine Erhöhung der Mineralölsteuer oder auch eine Erhöhung der Stromsteuer vor, um das Minus im Haushalt auszugleichen. Letztes würde allerdings den Betrieb von E-Autos teurer machen. Das könnte den politisch gewollten Umstieg auf E-Mobilität verlangsamen.
Ob 2030 also, wie von der Bundesregierung gewollt, schon 15 Millionen E-Autos oder doch einige weniger auf deutschen Straßen unterwegs sind, wird sich zeigen. »15 Millionen E-Fahrzeuge können erreicht werden«, sagt Urs Maier von Agora Verkehrswende. Aber nur mit reformierten und neuen Instrumenten sowie einer Strategie, wie die Steuerausfälle kompensiert werden können. (GEA)