REUTLINGEN. Es kommt, wie es kommen musste. Beim Nato-Gipfel in Litauen gibt es keine Beitrittszusage für die Ukraine. Damit war zu rechnen. Schließlich kann das Verteidigungsbündnis nicht riskieren, ein Land aufzunehmen, das sich im Krieg befindet. Die politischen Folgen wären fatal. Die Nato würde zur Kriegspartei in einem Konflikt mit der Atommacht Russland. Das wollten die Nato-Staaten stets verhindern. Die Strategie des Westens war es seit Beginn des Kriegs, den Konflikt zu begrenzen und nicht auszuweiten.
Auch wenn die Ukraine mit einer Absage rechnen musste, ist die Enttäuschung von Präsident Selenskyj verständlich. Sein Land und seine Bürger zahlen einen enorm hohen Blutzoll im Kampf gegen Russland. Zudem betonen die Nato-Staaten bei jeder Gelegenheit, dass dort die Werte des Westens verteidigt werden und stellten immer wieder einen Beitritt in die Nato und in die Europäische Union in Aussicht. Der Gipfel ist nun der Moment der Wahrheit. Der Ärger des ukrainischen Präsidenten führt vor Augen, dass sowohl die EU als auch die Nato sich viel zu weit aus dem Fenster gelehnt und Versprechen gemacht haben, die sie nicht einhalten können. Es ist Zeit für mehr Ehrlichkeit.
Die rote Linie
Dabei tun die Nato-Staaten viel für die Ukraine. Sie haben ihre anfänglichen Bedenken über Bord geworfen. Es wird nicht mehr darüber diskutiert, ob man Schutzhelme schicken soll. Allein Deutschland schnürt ein neues Waffenpaket im Wert von 700 Millionen Euro, Frankreich erhöht ebenfalls seine Militärhilfe und die USA wollen sogar Streubomben liefern. Doch kämpfen will der Westen nicht. Das ist die rote Linie und auch die Ursache für die falschen Versprechungen.