GEA: Herr Friedmann, wie bewerten Sie generell die Umstufung des Schutzstatus’ des Wolfes durch das EU-Parlament?
Jörg Friedmann: Die Umstufung wäre ein großer Meilenstein. Sie würde ein praxisgerechtes, effektives Wolfsmanagement, mit dem Konflikten im ländlichen Raum begegnet werden kann, ermöglichen.
Der Landesjagdverband hat schon früher gefordert, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. Wie schnell könnte dies jetzt tatsächlich in Baden-Württemberg kommen?
Friedmann: Der Wolf könnte sofort in das Jagd- und Wildtiermanagementgesetz, also bereits vor Vollzug der Umgruppierung auf europäischer Ebene, aufgenommen und dort in die Kategorie Schutzmanagement eingruppiert werden. Dann finden naturschutz- und jagdrechtliche Regelungen Anwendung. Der Wolf gehört lieber gestern als heute in das JWMG.
Was ist der große Vorteil, wenn der Wolf ins Jagdrecht integriert wird und in welcher Managementstufe des JWMG würde das geschehen?
Friedmann: Durch die Aufnahme des Wolfs in das JWMG werden die Jägerinnen und Jäger aktiv und auf gesetzlicher Grundlage in das Monitoring einbezogen. Wir sind flächendeckend präsent, haben Orts- und Revierkenntnis und sind vor Ort vernetzt. Bei einer Eingruppierung in das Schutzmanagement wären die Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes unverändert uneingeschränkt anwendbar. Sollte es im Rahmen eines differenzierten Bestandsmanagements zu Entnahmen kommen, können diese aber bei gleichzeitiger Anwendbarkeit des JWMG auf umfassend gesicherter Rechtsgrundlage im Rahmen befugter Jagdausübung erfolgen.
Die Wolfssituation in Baden-Württemberg ist regional sehr unterschiedlich. Ist ein genereller Umgang mit dem Spitzenprädator im Land möglich?
Friedmann: Wir brauchen im Wildtiermanagement eine ganzheitliche Perspektive, auch für den Wolf und seine Beutetiere. Ein regional differenziertes, durch den Wolf hervorgerufene Konflikte berücksichtigendes Bestandsmanagement, bei dem zum Beispiel auch die Betrachtung des Rotwildes als seine bevorzugte Beuteart eine Rolle spielt, ist Bestandteil eines zeitgemäßen, wissensbasierten Wildtiermanagements.
Wie könnte das Verfahren bei Wolfsabschüssen künftig aussehen?
Friedmann: Die Möglichkeiten reichen von der Genehmigung von Einzelentnahmen bis hin zu einem regionalen Bestandsmanagement. Die Strategie muss immer in Abstimmung mit den Betroffenen aus Tierhaltung und Jagd entwickelt werden. Deshalb ist es wichtig, ein regional differenziertes Wolfsmanagement umzusetzen. Maßgebliches Kriterium ist die gesellschaftliche Akzeptanz ebenso wie die zügige Entnahme auffälliger Wölfe oder ganzer Rudel. Dabei müssen die Mitgliedstaaten auch bei geschützten FFH-Arten darauf achten, dass der günstige Erhaltungszustand gewahrt bleibt. Dies geschieht auf nationaler Ebene. Es ist überfällig anzuerkennen, dass der günstige Erhaltungszustand längst erreicht ist.
Welchen Tenor vernehmen Sie aus der Jägerschaft ganz allgemein zur Rückkehr des Wolfes?
Friedmann: Die Jägerschaft sieht die Rückkehr des Wolfes aus verschiedenen Gründen kritisch. Die größte Gefahr für den Wolf ist ein Verlust der Akzeptanz durch einen nicht mehr zeitgemäßen Schutz. Bislang waren es vor allem der Versuch des geflissentlichen Ignorierens von Konflikten, die »Nicht-Entscheidungen« auf den drei Ebenen von der EU über das Bundesumweltministerium bis in die Länder-Umweltministerien, die großen Einfluss auf den Diskurs zum Thema Wolf hatten. Mit Verweis auf die Rechtslage war es möglich, eine inhaltlich-strategische Auseinandersetzung mit der Problematik der Wolfsrisse auf den Herdenschutz durch Zäune, Hunde, Präventionsförderung und Ausgleichszahlungen einzugrenzen. Die größte Rolle bei der grundsätzlichen Skepsis spielt deshalb das langjährige Versagen von Politik und Verwaltung, Möglichkeiten für praxisgerechte angepasste Eingriffe im Falle von Konfliktsituationen mit der Weidetierhaltung zu schaffen. Das Vertrauen der Jägerschaft in ein lösungsorientiertes Wolfsmanagement muss deshalb erst noch aufgebaut werden. (GEA)