HEIDELBERG. Es war ein passendes, wenn auch unfreiwilliges Symbol für die CDU-Vorstandsklausur in Heidelberg. Brandschutzbestimmungen am ursprünglich geplanten Tagungshotel er-zwangen einen Ortswechsel innerhalb der Neckar-Stadt, und der politische Brandschutz dominierte dann auch das zweitägige Treffen der Parteispitze. Das Erstarken der AfD in Kombination mit der Zusammenkunft von Rechtsradikalen in Potsdam hat der CDU, wie allen anderen demokratischen Parteien auch, deutlich vor Augen geführt, dass die bisherige Strategie im Umgang mit Rechtspopulisten und Rechtsextremen offenbar nicht zielführend ist. Immer mehr Christdemokraten sprechen sich für eine aktive, direkte Auseinandersetzung mit der AfD aus. Die Zeiten, in denen die Rechten links liegengelassen werden, sind offenbar vorbei.
CDU-Chef Friedrich Merz kündigte eine »sehr klare und sehr harte Auseinandersetzung insbesondere gegen die AfD« an. Diese Auseinandersetzung solle auch »sehr stark inhaltlich« geprägt sein, erklärte er. Die AfD wird sich demnach Fragen zu ihrer Europapolitik, zur Außenpolitik – hier speziell ihr Verhältnis zu Russland – und zur Wirtschaftspolitik anhören müssen. Vereinzelte Sympathiebekunden aus der Unternehmerschaft für die Rechten hat Merz durchaus vernommen, er appellierte eindringlich: »Schaut bitte ganz genau, wen ihr da eventuell wählt.«
In Berlin hatte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zuvor dazu aufgerufen, die AfD im Bundestag zu stellen. Die Bereitschaft der CDU, daran mitzuwirken, ist groß. Merz betonte, es sei Aufgabe alle Parteien, sich gegen politischen Extremismus und Populismus einzusetzen. Dies sei, ergänzte der Sauerländer, im Übrigen nicht die vorrangige Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, und war damit bei einem Thema, dass den Vorstand ebenfalls kurz beschäftigte: Ein Verbot der AfD.
»Ich halte von Parteiverboten persönlich sehr wenig«, sagte Merz. Ausschließen könne man gar nichts, zunächst müsse es aber darum gehen, rechte Parteien politisch zu bekämpfen. Thüringens CDU-Vorsitzender Mario Voigt warb ebenfalls für eine solche offensive Auseinandersetzung. »Es gibt gute Argumente, warum die CDU diesen inhaltlichen Disput auch suchen sollte«, sagte er in Heidelberg. Einem AfD-Verbot steht Voigt wie Merz skeptisch gegenüber. Sinnvoller sei eine Auseinandersetzung in der Sache, alles andere befördere nur den »Opfer-mythos der AfD«, sagte der CDU-Politiker, in dessen Bundesland im Herbst neben Sachsen und Sachen-Brandenburg Landtagswahlen anstehen.
Beim Bau ihrer Brandmauer gegen die AfD erheben die Christdemokraten massive Vorwürfe gegen die Regierung mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) an der Spitze. »Der durch die Ampel-Regierung verursachte massive Vertrauensverlust lässt die rechten radikalen und populistischen Kräfte in Deutschland immer stärker werden«, heißt es in der achtseitigen »Heidelberger Erklärung«, die zum Abschuss des Treffens verabschiedet wurde, und weiter: »Die Demokratie in unserem Land ist intakt. Wir brauchen nur eine bessere Regierung.« Zur Begründung wird während der Klausurtagung immer wieder darauf verwiesen, dass sich die Umfragewerte für die AfD seit der Bundestagswahl von 10,3 Prozent im Laufe der Regierungszeit von SPD, Grünen und FDP mehr als verdoppelt haben. Im aktuellen ZDF-Politbarometer etwa stehen sie bei 22 Prozent.
Naiv sind die Christdemokraten nicht, abseits des Getrommels als Oppositionspartei wissen sie, dass die Ampel allein nicht schuld ist an der Entwicklung. Im Gespräch mit Bundes- und Landespolitikern zeigt sich viel Selbstkritik, es habe in den letzten Regierungsjahren unter Angela Merkel einiges gegeben, was aufs Konto der AfD eingezahlt habe. Vor allem anderen wird die Flüchtlingspolitik der Alt-Kanzlerin genannt.
Das Treffen von AfD-Politikern, Rechtsextremisten und potenziellen Geldgebern in Potsdam bietet der CDU jetzt schon Gelegenheit, klare Kante zu zeigen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte, die Partei werde »hart und konsequent« auf die mögliche Teilnahme von CDU-Mitgliedern reagieren, die gleichzeitig der Werteunion angehören. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und NRW-Generalsekretär Paul Ziemiak drohte auf X mit einem Parteiausschlussverfahren. »Wer das teilt oder unterstützt, verstößt erheblich gegen Grundsätze unserer Partei«, erklärte er.
»Ich halte von Parteiverboten sehr wenig«
Wie viele CDU-Mitglieder daran teilgenommen haben, ist nicht zuletzt wegen des Datenschutzes noch nicht ganz klar. Merz betonte, »wenn da CDU-Mitglieder beteiligt gewesen sind, und das scheint so zu sein«, werde das Konsequenzen haben. Es könne nicht sein, dass sich CDU-Mitglieder »in irgendeiner Weise mit solchen Leuten zusammentun«. Er schließe »jedenfalls vollkommen aus, dass wir das akzeptieren und dulden.« Die Werteunion ist ein Verein und keine Parteigliederung der CDU. Ihr Vorsitzender, Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, strebt eine Parteigründung an, in seiner derzeitigen politischen Heimat beobachten sie auch das wachsam, aber vergleichsweise entspannt. Merz habe während der Klausurtagung, berichten Teilnehmer, einen klaren Schnitt angekündigt und erklärt, er wolle diesen »Irrsinn« ein für alle Mal beenden. Sollte die Werteunion tatsächlich eine Partei werden, würde das gemäß den Statuten der CDU, die eine Doppelmitgliedschaft ausschließen, den Rausschmiss nach sich ziehen. Wird sie es nicht, will Merz auf dem nächsten CDU-Parteitag Anfang März in Berlin einen Unvereinbarkeitsbeschluss auf den Weg bringen: Wer der Werteunion angehört, kann dann nicht mehr auch noch CDU-Mitglied sein.
Die CDU will der Werteunion mit ihrem neuen Grundsatzprogramm entgegentreten, dessen Entwurf von Bundesvorstand einstimmig verabschiedet wurde. Man habe sich, sagte Merz, nach 17 Jahren »mal wieder mit der Frage beschäftigt: Was ist eigentlich CDU?« Das neue Programm liefere die Antworten darauf, es entziehe der Werteunion jegliche Grundlage. »Wenn es denn jemals überhaupt einen Grund gab, eine solche Werteunion zu gründen, dann ist er heute nicht mehr vorhanden«, erklärte der Parteichef. (GEA)