GEA: Was ist die Intention dieses Kongresses?
Tobias Pflüger: Es hat durchaus mit Bundespräsident Gauck und seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz zu tun, wo eine neue Form eingeleitet wurde, wie deutsche Repräsentanten außenpolitisch auftreten. Das ist ja nicht nur Gauck. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 gab es ein gemeinsames Auftreten von Gauck, Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen – und das ganze hat einen Hintergrund: Es ist tatsächlich so, dass es seit der schwarz-roten Koalition so viele Auslandseinsätze der Bundeswehr wie noch nie gibt und man weltpolitisch völlig anders auftritt, also - wenn man es neutral formuliert – sehr viel selbstbewusster. Deutschland will weltpolitisch unbedingt mitspielen.
»Natürlich muss man was tun. Die Frage ist dann nur, was?«Woran machen sie fest, dass wir selbstbewusster auftreten?
Pflüger: Wenn man die Regierungsvertreter im internationalen Kontext beobachtet, ist es offensichtlich. Steinmeier hat es mal so formuliert: Wir sind viel zu groß, um zuzuschauen. Bei einem Blick auf die Weltkarte und Länder wie Indien kommt das schon etwas komisch. Es ist das Grundverständnis, dass man innerhalb der EU und der Nato eine ganz zentrale Rolle spielen will.
Aber ist es denn nicht so, dass wir nicht überall nur zuschauen können? Ich denke beispielsweise an die Bedrohung durch die IS-Islamisten. Muss man da als Bundesrepublik Deutschland nicht auch etwas tun?
Pflüger: Natürlich muss man was tun. Die Frage ist dann nur, was? Wie reagiert wird, ist im Grunde genommen immer mit dem gleichen falschen Werkzeug, nämlich dem Militär. Es ist offensichtlich so, dass einem nur dieses Mittel einfällt. Im Falle der IS hätte man ja mit der Türkei einen engen Bündnispartner, der mit der IS zusammenarbeitet. Da könnte man mal deutlich Druck dagegen machen. Oder man hat über Jahre hinweg in Deutschland quasi IS-ähnliche Strukturen erlaubt. Wenn man zum ganz konkreten Konflikt geht, war es so, dass man beispielsweise die PKK, die offensichtlich aufseiten derjenigen ist, die verfolgt werden, verboten hatte – und sie ist immer noch verboten.
Würden Sie also für richtig halten, dass man die PKK – wenn ich an die Stadt Kobane denke – im Kampf gegen IS mit deutschen Waffen ausgerüstet hätte?
Pflüger: Nein. Ich persönlich bin jemand, der sagt, bei Waffen, wenn man die irgendwohin in einen Konflikt liefert, ist es so, dass man grundsätzlich nachher sicher sein kann, dass sie auch bei denjenigen auftauchen, die man nicht unterstützen will.
Das wird man wohl nie ganz ausschließen können ...
Pflüger: Die Bundesrepublik gibt halt wieder Geld und Waffen an ihre üblichen Verbündeten und stärkt damit ihre eigene Politik.
Aber es ist doch in ihrem Sinne, dass man jetzt eher nur Waffen liefert, anstatt Soldaten einzusetzen, wie das über viele Jahre in Afghanistan der Fall war. Dass wir in nächster Zeit wieder in dem Maße Truppen in ein Land entsenden werden, ist derzeit kaum denkbar.
Pflüger: Das ist ganz interessant. Es wird gesagt, der Afghanistaneinsatz ist beendet, und gleichzeitig wird er in anderer Form fortgeführt. Es ist ja Teil des Konzeptes, dass man bewusst vor Ort befreundete Truppen ausbildet, damit die dann im Sinne westlicher Politik dort agieren. Das ist ein Grundkonzept der deutschen Politik. Insofern ist die Ausbildung der Peschmerga oder was in Afghanistan läuft, durchaus Teil dieses Konzeptes. Man zieht sich nicht zurück, sondern beteiligt sich an neuen Militäreinsätzen. Nur streut man deutlich mehr, man geht in deutlich mehr Länder und man geht mit unterschiedlichsten Formen in die Einsätze. Das geht von eindeutig auch als Kampfeinsätze deklarierten Missionen bis hin zu Einsätzen, wo es um die Ausbildung von Soldaten anderer Länder geht, mal in Kooperation mit den UN, mal mit der Nato, mal mit der EU.
Sie referieren bei dem Kongress zum Thema »Frontalangriff auf die Parlamentskontrolle«. Was meinen Sie damit?
Pflüger: Schon derzeit ist es so, dass wir eine ganze Reihe von Auslandseinsätzen der Bundeswehr haben, über die der Bundestag gar nicht mehr abstimmt. Es ist nach der Rechtslage eigentlich völlig klar, dass jedes Mal der Bundestag darüber abstimmen muss. Jetzt haben wir eine Kommission eingesetzt bekommen, die insbesondere für EU- und Nato-Zusammenhänge vorschlagen soll, dass man quasi Generalbeschlüsse produziert und grundsätzlich dabei ist, wenn es im Namen der Nato geschieht. Das ist eine völlige Aushöhlung des Parlamentsvorbehaltes. Gleichzeitig ist es so, dass der Bundestag immer schlechter informiert wird. Das gilt beispielsweise für die Einsätze des Kommandos Spezialkräfte. Die jetzige Regierung gibt darüber gar nichts mehr heraus. Das läuft so mit einer ganzen Reihe von Einsätzen. Der Einsatz in Erbil im Nordirak, der gerade anläuft gehört dazu. Dort errichtet man gemeinsam mit den USA ein großes Ausbildungszentrum. Dort hat man Soldaten hingeschickt. Das ist vom Bundestag nie genehmigt worden. Parlamentskontrolle heißt für mich, dass tatsächlich der Bundestag und der zuständige Verteidigungsausschuss auf dem Laufenden gehalten werden.
»Schließlich geht es auch um die Rechte der Öffentlichkeit«Sie wollen im Gegenteil eine stärkere Parlamentskontrolle ...
Pflüger: Genau. Wenn man zum Urteil vom 12. Juli 1994 zurückgeht, heißt es da, dass grundsätzlich der Bundestag über solche Einsätze abstimmt. Und wenn ins Grundgesetz schaut, heißt es da, der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Die Einsätze der Bundeswehr, die es inzwischen gibt, haben aber mit Verteidigung in weiten Teilen nichts mehr zu tun. Was völlig klar ist, es stört natürlich eine Regierung, die exekutiv agieren will. Die französische Regierung zum Beispiel hat den »Vorteil«, dass das Parlament gar nicht gefragt werden muss – die können einfach – zack – entscheiden, wobei der Trend international eher in die Gegenrichtung (mehr Parlamentsbeteiligung) geht. Und schließlich geht nicht nur um die Parlamentsrechte, sondern auch um die Rechte der Öffentlichkeit. (GEA)
