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Aktuell Staatsbürgerschaft

Clan-Boss hofft auf deutschen Pass

Issa Remmo, Oberhaupt einer Berliner Großfamilie, zieht in ein Dorf und will sich einbürgern lassen

Polizisten stehen in Berlin Neukölln vor der Villa des Remmo-Clans.  FOTO: KALAENE/DPA
Polizisten stehen in Berlin Neukölln vor der Villa des Remmo-Clans. FOTO: KALAENE/DPA
Polizisten stehen in Berlin Neukölln vor der Villa des Remmo-Clans. FOTO: KALAENE/DPA

BERLIN. Grabowhöfe mit seinen weniger als 1.400 Seelen ist bislang vor allem für seinen kleinen Tierpark bekannt. »Neben Aras, Zebras, Pinguinen und Ottern gibt es viel zu sehen und zu erleben«, heißt es in der Tourismus-Reklame von Mecklenburg-Vorpommern. Doch jetzt bekommt das Dorf an der verträumten Wasserlandschaft der Müritz einen neuen Bewohner, dem aus der deutschen Hauptstadt ein Ruf wie Donnerhall vorauseilt: Issa Remmo, der als Oberhaupt des berüchtigten, gleichnamigen Berliner Clans gilt. Mit seinem Umzug nach Grabowhöfe will der 57-Jährige Medienberichten zufolge offenbar endlich an einen deutschen Pass kommen, was ihm in Berlin bislang nicht gelungen war. Hilfe hat ihm dabei ausgerechnet Peter Michael Diestel angeboten, der letzte Innenminister der DDR.

Villa in Berlin beschlagnahmt

In Grabowhöfe soll nun die Angst umgehen, dass Teile der Großfamilie tatsächlich in ihre beschauliche Heimat ziehen. Fünf Angehörige des weitverzweigten Clans aus Berlin machten zuletzt etwa von sich reden, als sie wegen des dreisten Jahrhundert-Diebstahls im Grünen Ge-wölbe in Dresden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Auch der Diebstahl einer hundert Kilo schweren Riesen-Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum geht auf das Konto von Familienmitgliedern, ebenso wie zahlreiche weitere Delikte wie spektakuläre Einbrüche, ein Überfall auf einen Geldtransporter, Geldwäsche bis hin zum Mord an einem Gastronomen.

Ein Teil der Familie musste zuletzt aus einer Villa in der Hauptstadt ausziehen, die bereits 2018 von den Behörden zusammen mit 76 weiteren Clan-Immobilien beschlagnahmt worden war. Nach der Räumung sagte ein Bezirkssprecher: »Das Haus befindet sich nach der ersten Sichtung in einem desolaten Zustand.« Kurz hofften die Behörden, eine Schweizer Luxusuhr, die sich zwischen all dem Gerümpel fand, könne zur Deckung der Kosten beitragen. Doch die entpuppte sich schnell als wertlose Fälschung. Offen blieb auch die Frage, was in dem Loch versteckt gewesen war, das unter einer Konifere gebuddelt wurde.

Der Remmo-Clan stammt aus der arabisch-kurdischen Volksgruppe der Mhallami, die ihre Wurzeln in der Türkei und dem Libanon hat. In den Wirren des Libanon-Krieges reisten viele als Flüchtlinge nach Deutschland ein. Dafür konnten sie ein Schlupfloch nutzen, das es so nur in der damals geteilten Stadt Berlin gab. Per Flugzeug kamen sie aus Nahost an den Ostberliner Flughafen Schönefeld, wo sie ein Transitvisum für fünf DDR-Mark kauften. Mit dem Bus gelangten sie dann zum Bahnhof Friedrichstraße, wo sie unkontrolliert in den Westen einreisten und Asyl beantragten. Die DDR-Führung selbst hatte keinerlei Interesse, die aus dem Libanon kommenden Menschen aufzunehmen. Mit der Durchschleusung nach Westen wollte sie vielmehr die Bundesrepublik zwingen, das sozialistische Deutschland als souveränen Staat anzuerkennen.

Hätte Westberlin nämlich die Grenze zum Ostteil kontrolliert, hätte dies faktisch eine Anerkennung des völkerrechtlichen Status als geteilte Stadt bedeutet. So reisten etliche zehntausend Menschen, oft ohne Papiere und mit ungeklärter Herkunft, in die Bundesrepublik ein. Als Staatenlose konnten sie nicht abgeschoben werden. Anfängliche Ausgrenzung und Arbeitsverbote, aber auch tief verwurzeltes Stammesdenken macht der Migrationsforscher Ralph Ghadban für den Weg vieler Familienmitglieder in die organisierte Kriminalität verantwortlich. »Die deutsche Gesellschaft blieb ihnen fremd und sie betrachteten sie primär als Beutegesellschaft«, sagt er.

Hilfe von Ex-DDR-Minister

Anders als viele Mitglieder der Familie besitzt Issa Remmo, das mutmaßliche Oberhaupt, bis heute keinen deutschen Pass, ist offiziell staatenlos. Wie der Norddeutsche Rundfunk berichtet, läuft beim Landkreis Mecklenburgische Seenplatte – in dem Grabowhöfe liegt – ein Einbürgerungsverfahren. Mit Verweis auf den Datenschutz will die Behörde aber demnach nicht bestätigen, dass es sich hierbei um einen Antrag von Remmo handelt. Bereits seit etwa zwei Jahren soll die berüchtigte Berliner Familie dort ein Haus besitzen, dort aber nicht gelebt haben.

An der Mecklenburgischen Seenplatte wohnt auch Peter-Michael Diestel, der von 1990 bis zur Auflösung der DDR für einige Monate Innenminister war. Heute ist er Rechtsanwalt und hat angekündigt, den Clan-Boss bei einem möglichen Rechtsstreit um die Staatsbürgerschaft zu vertreten.

Diestel ist der Meinung, dass das deutsche Recht für alle und jeden gleich gelte. Der Bild sagte er: »Soweit ich weiß, ist der Herr bisher nicht vorbestraft. Und wenn dem so ist, dann steht ihm die Staatsbürgerschaft zu.« Gleichlautenden Medienberichten zufolge wurde Issa Remmo zwar etliche Male festgenommen, auch aktuell sollen demnach diverse Ermittlungen laufen. Vorbestraft ist er demnach aber bislang nicht. (GEA)