Logo
Aktuell INTERVIEW

CDU-Abgeordneter über Klimaschutz im Koalitionsvertrag: »Überregulierung«

Der Konstanzer CDU-Abgeordnete Andreas Jung erklärt, was im Koalitionsvertrag zum Klimaschutz steht

Andreas Jung (CDU) wird als Minister gehandelt.  FOTO: NIETFELD/DPA
Andreas Jung (CDU) wird als Minister gehandelt. FOTO: NIETFELD/DPA
Andreas Jung (CDU) wird als Minister gehandelt. FOTO: NIETFELD/DPA

BERLIN. Das Heizungsgesetz hat Millionen Bürger auf die Palme gebracht. Die neue schwarz-rote Regierung will es anders und besser machen. Wie, das erklärt der CDU-Abgeordnete Andreas Jung. Die entsprechenden Passagen im Koalitionsvertrag von Union und SPD gehen maßgeblich auf ihn zurück.

GEA: Herr Jung, die Deutschen ächzen unter hohen Energiepreisen. Strom will die künftige Koalition um fünf Cent pro Kilowattstunde günstiger machen, so steht es im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Wann können Verbraucher und Unternehmen damit rechnen?

Andreas Jung: Spätestens zum nächsten Jahresbeginn wird das komplett umgesetzt sein. Die Stromsteuer und Netzentgelte werden dazu gesenkt. Das ist ein unbürokratischer Weg der Entlastung. Wie im Wahlkampf angekündigt, wird das sicher direkt in den ersten 100 Tagen in Angriff genommen. Die Energiekosten dürfen nicht noch mehr zur sozialen Frage und zum Wettbewerbsnachteil werden.

Die Elektromobilität will Schwarz-Rot durch einen Anlauf fördern. Kommt die Verbrauchsprämie für E-Autos zurück? Und vielleicht sogar für Hybridwagen?

Jung: Eine verlässliche Ladeinfrastruktur ist der beste Kaufanstoß. Es muss ein engmaschiges Angebot geben und an den zentralen Punkten Schnell-Ladestationen. Wir sind da im letzten Jahrzehnt nicht schnell genug vorangekommen. Es wird auch ein Bündel finanzieller Anreize geben. Das muss im Einzelnen noch ausgestaltet werden, ein Schwerpunkt dabei wird steuerliche Förderung sein.

Die CO2-Einnahmen sollen, verspricht die neue Regierung, an die Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen zurück. Wie genau wird das aussehen?

Jung: Die soziale Akzeptanz der CO2-Bepreisung beim Heizen und Tanken muss sichergestellt werden. Um niemand zu überfordern, muss es zunächst bei der schrittweisen Entwicklung bleiben. Auch mit dem Übergang zum europäischen System 2027 wird es keine Preissprünge geben. Dann müssen die Einnahmen zurückgegeben werden. Der erste Schritt ist die Senkung der Stromkosten für alle. Die Entlastung kann sich jeder selbst mit seiner Stromrechnung ausrechnen. Jede Kilowattstunde kostet 5 Cent weniger. Für eine durchschnittliche vierköpfige Familie ergibt sich so eine jährliche Entlastung von etwa 175 bis 200 Euro. Zudem gibt es Unterstützung bei Umstieg und Umbau.

»Eine verlässliche Ladeinfrastruktur ist der beste Kaufanstoß«

Werden die Strompreise an sich auch mal wieder sinken? Oder ist es wie beim Benzin: Wenn der Preis erst mal oben ist, bleibt er da auch.

Jung: Sie müssen sinken. Deshalb gibt es nicht einfach ein Weiter so. Wir haben vereinbart, als Erstes noch vor der Sommerpause durch eine kleine Gruppe unabhängiger Fachleute ein Monitoring vornehmen zu lassen, um transparent einen detaillierten Überblick über die realistischen Bedarfe und den Stand der Umsetzung bekommen. Darauf wiederum werden dann alle weiteren Schritte konsequent ausgerichtet. Wir werden die Energiewende nicht zurückdrehen. Aber um sie zum Erfolg zu machen, muss es grundlegende Kurskorrekturen geben.

Welche?

Jung: Es gilt, alle Bereiche konsequent auf Kosteneffizienz zu trimmen. Den Ausbau der Erneuerbaren im Gesamtsystem mit Netzen und Speichern. Zudem brauchen wir einen neuen Pragmatismus beim Wasserstoff und eine Offenheit für die Technologien der CO2-Abscheidung wie CCS. Niedrige Energiepreise sind für die soziale Akzeptanz der Klimaziele und für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit gleichermaßen entscheidend.

Was bedeutet es für den Klima- und Transformationsfonds, wenn die CO2-Einnahmen zur Senkung der Stromkosten verwendet werden und nicht in den KTF fließen? Für Irritationen sorgt da der Satz im Koalitionsvertrag, dass alle Einnahmen grundsätzlich dem Gesamthaushalt zur Verfügung stehen. Ist der KTF nachher analog zur Rentenkasse ein Topf, wo man reingreift, wenn man Geld braucht?

Jung: Nein. Es muss klar sein, dass alles, was in den Klima- und Transformationsfonds reinkommt, auch für Klimaschutz und Transformation verwendet wird. Für soziale Einbettung, wirtschaftliche Innovationen und für starke Infrastruktur. Der KTF darf kein Sparschwein sein für jede Aufgabe, die gerade drängt.

Kein Vorhaben der Energiewende hat die Deutschen so aufgewühlt wie das Heizungsgesetz von Robert Habeck. Im Koalitionsvertrag legen Sie sich fest. Das Heizungsgesetz wird gestrichen. Was kommt danach und was heißt das für die Hausbesitzer?

Jung: Wir werfen den Rucksack der Überregulierung ab, den die Ampel mit ihrem Heizungsgesetz geschnürt hat. Stattdessen eröffnen wir einen technologieoffenen Weg zu klimaneutraler Wärme. Weiterhin wird niemand verpflichtet, seine funktionierende Heizung aus Klimagründen stillzulegen. Die neue Heizung muss klimafreundlich betrieben werden können. Welcher Weg für ein Haus dabei der beste ist, wird vor Ort entschieden. Das kann eine Wärmepumpe sein, der Anschluss an ein Wärmenetz, Heizen mit Holz, Geo- oder Solarthermie. Alles wird gleichberechtigt ermöglicht und gefördert. Perspektiven muss es auch für grüne Gase geben, schon wegen der vielen Bestandsheizungen. Wir haben erlebt, was für ein sensibles Thema das ist. Der Weg muss pragmatisch und bezahlbar sein.

Das kostet.

Jung: Effiziente und verlässliche Förderung für privaten Umstieg und öffentliche Wärmenetze ist gut investiertes Geld in breite Akzeptanz. Und nur mit der geht es. Die Entscheidung für die Schuldenaufnahme mit den Sondervermögen ist uns nicht leichtgefallen. Sie ist dann zu rechtfertigen, wenn das Geld sinnvoll eingesetzt wird. Das gilt für leistungsfähige Energieleitungen, auch für eine CO2-Infrastruktur und eine neue Planung des Wasserstoffnetzes.

Beim Wasserstoff-Netz waren Sie mit der Ampel-Regierung gar nicht zufrieden. Was wird mit der Union anders?

Jung: Wir haben im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass die Nord-Süd-Schieflage beim Wasserstoffkernnetz beseitigt wird. Die Planung wird erweitert: Alle Industriezentren werden angebunden, auch im Süden und Osten. Das ist ein dringender Fortschritt für die starke Wirtschaft in Baden-Württemberg und Bayern.

»Welcher Weg für ein Haus der beste ist, wird vor Ort entschieden«

Im Sommer droht wieder der sogenannte Brownout, also eine gezielte Lastreduktion durch die Betreiber, weil wir zu viel Solarstrom in den Netzen haben. Wird Schwarz-Rot den Zubau von Photovoltaik bremsen müssen?

Jung:Wir werden den systemdienlichen Zubau der Erneuerbaren weiter fördern, damit erzeugter Strom und tatsächlicher Bedarf auch zusammenkommen. Das ist aber kein Bremsen, sondern pragmatisches Ermöglichen. Auch mit den Flächen müssen wir sorgsam umgehen. Wir haben gerade im Süden viel Potenzial für Agri-PV und für schwimmende Solaranlagen. Da müssen Hürden abgeräumt werden.

Was heißt das für den Häuslebauer? Kann der jetzt weiter seine Solaranlage aufs Dach setzen?

Jung: Unsere Botschaft war nie, dass alles genau bleibt, wie es ist. Die Erneuerbaren haben große Fortschritte gemacht. Sie werden weiter Schritt für Schritt an den Markt geführt. Dabei wird es auch künftig einen wirtschaftlich vernünftigen Rahmen für die Nutzung von Dachflächen geben. Auch das ist ja eine flächenschonende Doppelnutzung, die zum Erhalt von Acker- und Naturflächen beiträgt. Unten wohnen oder arbeiten, oben Energieerzeugung. Unten Parken, oben Energieerzeugung. Unten Ernten, oben Energieerzeugung. Unten Baggersee, darüber Energieerzeugung. All das muss entlang der jeweiligen regionalen Potenziale ermöglicht werden.

Reicht die Trasse A-Nord, die als Erdkabel verlegte Gleichstromverbindung vom ostfriesischen Emden ins nordrhein-westfälische Osterath aus, um überschüssigen Strom von Nord nach Süd zu leiten?

Jung: Unabhängig von der konkreten Trasse: Wie viel Leitungen notwendig sind, wird beim anstehenden Monitoring geprüft. Bei neuen Planungen soll es einen Vorrang für Freilandleitungen geben. Das spart Milliarden Euro und auch die Erdverkabelung wirft Fragen der Akzeptanz auf, etwa hinsichtlich des Flächenverbrauchs.

»Nur den kleineren Teil des Wasserstoffs werden wir im Hier produzieren«

CDU und CSU haben im Wahlkampf prominent für eine Renaissance der Atomenergie getrommelt. Im Koalitionsvertrag ist davon die Forschungsförderung für Fusionsreaktoren übriggeblieben. Sind Sie froh, dass es keine Renaissance der Atomkraft gibt?

Jung: Wir sollten bei der Forschung auf jeden Fall offen sein. Dafür steht die Regelung für die Kernfusion. Wir dürfen nicht heute Türen zuschlagen, hinter denen sich in zehn, 15 Jahren vielleicht neue Perspektiven eröffnen. Und wir müssen eine echte europäische Energieunion durchsetzen.

Was bedeutet das konkret?

Jung: Schon die Franzosen haben zur Kernenergie eine ganz andere Haltung. Da gilt es jetzt wegzukommen vom Modus der Belehrungen, in dem jeder dem anderen erzählt, was er falsch macht. Stattdessen müssen wir unterschiedlicher Strategien respektieren und Synergien nutzen. Voraussetzung ist die Infrastruktur: Nur den kleineren Teil des Wasserstoffs etwa werden wir im Inland produzieren. Im Übrigen gilt es, europäische Potenziale zu nutzen und gemeinsam internationale Partnerschaften aufzubauen. Für beides brauchen wir eine grenzüberschreitende europäische Infrastruktur. Generell müssen wir unser klares Bekenntnis zu den nationalen Zielen mit mehr Offenheit für europäische und globale Zusammenarbeit verbinden. (GEA)

ZUR PERSON

Andreas Jung, Jahrgang 1975, wurde in Freiburg im Breisgau geboren. Aufgewachsen ist er in Stockach im Landkreis Konstanz. Im Jahr 2005 zog der gelernte Rechtsanwalt für die CDU in den Bundestag ein, seitdem gewann er bei jeder Wahl das Mandat für seinen Wahlkreis Konstanz. Jung ist CDU-Vizevorsitzender und in der Union ein ausgewiesener Experte für Klimaschutz und Energie. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. (GEA)