LONDON. Deutschland und Großbritannien vollziehen einen militärischen Schulterschluss. Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein britischer Amtskollege John Healey vereinbarten am Mittwoch in London einen weitreichenden Verteidigungspakt. Das nach dem Ort seiner Unterzeichnung genannte »Trinity House Agreement« wird laut den Ministern nicht nur »eine Reihe von Großprojekten für die Luft-, Land- und Seestreitkräfte fördern«. Darüber hinaus stellt die Vereinbarung den ersten konkreten Schritt Großbritanniens dar, seine Beziehungen zu Europa auf eine neue Grundlage zu stellen. Der vielmals beschworene »Neustart« gewinnt an Kontur.
Das Abkommen komplettiert ein Dreieck aus bilateralen Verteidigungsvereinbarungen zwischen den drei größten militärischen Kräften Europas. Es ergänzt die »Aachener Verträge« zwischen Deutschland und Frankreich und die anglo-französischen »Lancaster House Treaties«. Das »Trinity House Agreement« wird deutschen Aufklärungsflugzeugen erlauben, von schottischen Flughäfen aus zu starten, um den Nordatlantik zu überwachen, russische U-Boote aufzuspüren und Unterseekabel vor Sabotage zu schützen.
Wandel in Beziehungen
Das Unternehmen Rheinmetall wird ein Werk mit 400 Arbeitsplätzen zu Fertigung von Artillerierohren bauen und damit die bisherige Industriekooperation ausweiten, nachdem das britische Heer schon 500 Boxer-Transportpanzer bestellt hat. Weitere Projekte sehen die Entwicklung von neuen Langstreckenwaffen mit größerer Reichweite und höherer Präzision vor sowie die Integrierung von Luftverteidigungssystemen. Man will zusammen Drohnen und andere zukunftsträchtige Systeme entwickeln, in gemeinsamen Operationen die Ostflanke der Nato stärken und neue Gesprächsformate für Zusammenarbeit schaffen. Denn das Abkommen soll erst den Anfang eines »grundlegenden Wandels in den britischen Beziehungen zu Deutschland und Europa« darstellen und »die Weichen stellen für die Vorhaben der Zukunft«.
Als die neue Labour-Regierung im Juli ins Amt kam, war es eine der ersten Initiativen des neuen Premierministers Keir Starmer, das Königreich wieder näher an Europa zu rücken. Der Brexit hatte viel politisches Porzellan zerschlagen, daher hieß Starmers Mantra, das er auf seinen Besuchen in Berlin, Brüssel oder Paris nicht müde wurde zu wiederholen: Er wolle jetzt den »Reset«, den Neustart in den Beziehungen. Das »Trinity House Agreement« ist das erste konkrete Beispiel für eine neue Kooperation oder, wie es das Bundesverteidigungsministerium ausdrückte, ein »Ausdruck der britischen Neuausrichtung gegenüber Europa«. Schon im kommenden Januar soll ein bilateraler Vertrag unterzeichnet werden, der viel weiter gefasst sein wird und neben dem militärischen auch viele andere Bereiche wie etwa irreguläre Migration, Klimapolitik, Energiesicherheit oder die Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik beinhalten soll. (GEA)