LONDON. Während anderswo in Europa erst am Donnerstag dem Kriegsende gedacht wird, feiert Großbritannien vor. Mit den Worten von Winston Churchill begannen am Montag in London die viertägigen Veranstaltungen zum Endes des Zweiten Weltkriegs. Der Schauspieler Anthony Spall verlas die Rede des Kriegspremiers, die er zum »Victory in Europe Day«, kurz VE-Day, am 8. Mai vor achtzig Jahren gehalten hatte. »Meine Freunde«, begann sie, »dies ist eure Stunde. Dies ist nicht ein Sieg für eine Partei oder irgendeine Klasse. Dies ist ein Sieg für die große britische Nation als ein Ganzes.«
Großbritannien feiert das Kriegsende und damit ein wenig sich selbst. Schließlich war man, wie Churchill in seiner Rede gleich am Anfang betonte, »die ersten, die das Schwert gegen Tyrannei gezogen« hatten, und stand lange alleine – die USA und UdSSR traten erst 1941 in den Krieg ein. Der Zweite Weltkrieg hat das Königreich viel gekostet. Rund 300.000 Soldaten ließen ihr Leben, dazu kommen an der Heimatfront durch Angriffe der deutschen Luftwaffe noch mindestens 60.000 Zivilisten.
Man musste sich Kriegsgerät und Lebensmittel von den USA ausleihen. Am Ende des Krieges war das Land tief verschuldet, und das Empire begann zu zerbröckeln. Der Durchhaltewillen, die Entbehrungen, das stoische Eintreten für Demokratie und Freiheit und gegen das Böse: All das wird jetzt ausgiebig zelebriert, denn das nationale Selbstverständnis speist sich auch heute noch zum guten Teil durch den heroischen Kampf gegen Nazi-Deutschland.
Ukrainische Soldaten dabei
Am Montag begann es mit einer Militärparade. Rund 1.300 Mitglieder der Streitkräfte marschierten vom Parliament Square zum Buckingham Palast. Angeführt wurden sie von einem 100-jährigen Veteranen. Alan Kennett, der an der Invasion in der Normandie teilgenommen hatte, fühlte sich noch rüstig genug für diesen Marsch. An der Mall, dem breiten Boulevard, der zum Palast führt, hatten sich Tausende von Schaulustigen eingefunden, die mit Union-Jack-Fähnchen und -Hüten ausstaffiert den Soldaten applaudierten. Zum ersten Mal marschierten ukrainische Truppen mit und schwenkten die blau-gelbe Flagge. Nach der Parade beindruckte ein Flypast, ein Formationsflug der Royal Air Force, die Menge und die königliche Familie, die sich auf dem Balkon des Palastes zeigte.
Im ganzen Land fanden VE-Day-Events statt: Straßenfeste, Konzerte, Gedenkgottesdienste, kleinere Paraden und Tanzveranstaltungen. Triumphalismus oder martialisches Siegesgeschrei stand dabei nicht im Vordergrund, stattdessen setzte Nostalgie den Ton: Gardererobe im Stil der 40er-Jahre, Swing im Glen-Miller-Sound, Snacks, die nach Kriegsrezepten zubereitet und zu Kriegspreisen verkauft wurden. (GEA)