REUTLINGEN.. Die Verdoppelung der Hilfe für die Ukraine hört sich zunächst einmal sehr gut an – wenn es denn tatsächlich dazu kommt. Als Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach Berlin kam, hat ihm Bundeskanzler Olaf Scholz versprochen, das Nato-Ziel von zwei Prozent endlich zu erfüllen. Scholz wusste, dass Stoltenberg das Thema ansprechen würde und hat ihm sozusagen den Wind aus den Segeln nehmen wollen.
Deutschland ist bei der Militärhilfe für die Ukraine nach den USA der zweitgrößte Unterstützer – mit gigantischem Abstand. Vergessen wird dabei, dass es zwar auch um absolute Zahlen gehen mag. Wichtiger allerdings ist, dass die Ukraine das bekommt, was ihr dabei hilft, nicht nur im derzeitigen Stellungskrieg zu bestehen, sondern selbst vorwärtsgehen zu können, um Russland zum Rückzug zu zwingen. Erst vergangene Woche hat Verteidigungsminister Boris Pistorius, der an der Entschlusslosigkeit seines Kanzlers schier verzweifelt, die Nichtlieferung der Taurus-Marschflugkörper verteidigen müssen. Weil es Bedenken wegen der Reichweite gibt. Da stellt sich die Frage, warum die Ukraine Kampfflugzeuge erhält, deren Reichweite wesentlich größer ist.
Material, das der Bundeswehr fehlt
Die andere Seite der Medaille: Wenn Deutschland Rüstungsgüter in die Ukraine liefert, ist das zu guten Teilen Material und Gerät, das der ohnehin »blanken« Bundeswehr zusätzlich fehlt. Zum Beispiel das Luft-Luft-Raketensytem IRIS-T. Es wird zwar versprochen, dass dieses Material zeitnah ersetzt wird, doch das ist bislang vor allem eine Beruhigungspille, die bei der Truppe allerdings nicht mehr wirkt.
Beim Nato Talk in Berlin haben Experten aller Couleur erneut gewarnt, die deutschen Streitkräfte seien im Ernstfall kaum verteidigungsfähig. Von der versprochenen Zeitenwende ist bislang kaum etwas zu spüren. Es geht nur im Kriechgang voran. Die Litauen versprochene deutsche Brigade, die dort permanent zur Abschreckung Russlands stationiert werden soll, wird frühestens 2025 einsatzbereit sein. Das Material dafür wird wohl wieder innerhalb der Bundeswehr zusammengekratzt.