REUTLINGEN. Fraktionsvorsitzende im deutschen Bundestag wollte Annalena Baerbock nicht werden. Ihre Familie, ihre Teenager-Töchter und das Privatleben sei in den letzten Jahren zu kurz gekommen, begründete sie vor kurzem ihren Rückzug aus der ersten Reihe der deutschen Politik. Nun ist jedoch klar: Es hat sich bei der Uno in New York ein besserer Job als die harte Berliner Oppositionsbank für sie gefunden.
Ursprünglich war Helga Schmid für den Posten vorgesehen, eine deutsche Top-Diplomatin mit jahrzehntelanger internationaler Erfahrung. Experten wie Christoph Heusgen, der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, kritisieren, dass eine qualifizierte Fachkraft durch ein »Auslaufmodell« ersetzt würde, das bisher hauptsächlich mit moralischen Presseerklärungen statt mit der Ochsentour internationaler Diplomatie auf sich aufmerksam gemacht habe.
Es ist nicht verwerflich, dass Baerbock Karriere macht. Auch nicht, dass sie ihre politischen Kontakte dafür ausnutzt. Es ist auch normal, dass sie einen Posten bekommt, für den andere besser qualifiziert gewesen wären. Die Personalie hat allerdings ein Geschmäckle. Die Grünen haben über viele Jahre Postengeschacher und Vetterleswirtschaft bei der Union kritisiert. Der neue Posten passt in das Bild, das Baerbock zuletzt abgab. Wenn es ihr persönlich nützt, pfeift sieauf grüne Moralvorstellungen. Das zeigte sie bereits, als sie sich über das von den Grünen durchgesetzte Nachtflugverbot in Frankfurt hinwegsetzte, weil sie ein EM-Fußball-Spiel sehen wollte. Es ist Baerbock zu wünschen, dass sie in New York genügend Zeit für ein Privatleben findet.