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Baerbock soll Präsidentin der UN-Generalversammlung werden: Undiplomatischer Diplomatenstreit

Baerbock soll Präsidentin der UN-Generalversammlung werden. Dafür war Helga Schmid vorgesehen

Annalena Baerbock arbeitet künftig in New York für die UNO.  FOTO: ALBERT/DPA
Annalena Baerbock arbeitet künftig in New York für die UNO. FOTO: ALBERT/DPA
Annalena Baerbock arbeitet künftig in New York für die UNO. FOTO: ALBERT/DPA

BERLIN. Zusammen mit ihrem ehemaligen Mitbewerber um das Bundeskanzleramt, Armin Laschet (CDU), flog Außenministerin Annalena Baerbock am Mittwoch in die libanesische Hauptstadt Beirut. Treffen mit Präsident Aoun und Premierminister Salam standen auf dem Plan, die Gespräche drehten sich vor allem um den wiederaufflammenden Krieg im Nahen Osten.

Es ist eine ihrer letzten Reisen als Außenministerin – aber wohl nicht das letzte Mal, dass sie Deutschland in der Welt vertritt. Denn die scheidende Bundesregierung wird die scheidende Außenministerin für einen Spitzenposten bei den Vereinten Nationen vorschlagen: Präsidentin der UN-Generalversammlung soll Annalena Baerbock werden. Das wurde am Dienstag bekannt.

»Politikerin, die sich durch markige Presseerklärungen profiliert hat«

Es dauerte nicht lange, da wurde Kritik laut an der Personalie. Der frühere Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, sprach von einer »Unverschämtheit« und nannte Baerbock im Interview mit dem Tagesspiegel ein »Auslaufmodell«. In der Rheinischen Post bezeichnete er Baerbock als »polarisierende Politikerin, die sich mehr durch markige Presseerklärungen profiliert hat als durch hartnäckige Kärrnerarbeit«. Ähnlich äußerte sich Baerbocks Amtsvorgänger Sigmar Gabriel. Der Grund: Für den Job war bereits eine Bewerberin vorgesehen, nämlich die deutsche Top-Diplomatin Helga Schmid.

Schmid war Büroleiterin von Joschka Fischer, arbeitete als Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der OSZE. Sie bringt 30 Jahre Erfahrung als Diplomatin mit. Die Bundesregierung – und damit auch Annalena Baerbock – hatte Schmid im September des vergangenen Jahres für den Posten vorgeschlagen. Der Vorwurf, der nun im Raum steht: Baerbock verdrängt eine besser geeignete Kandidatin für ihre eigenen Ambitionen.

Dass Baerbock eine Karriere auf der internationalen Bühne anstreben könnte, darüber war schon länger spekuliert worden. Denn in ihrer eigenen Partei gibt es gerade ein Personalproblem. Oder besser: ein Postenproblem. Mit dem Ausscheiden aus der Bundesregierung gibt es viele Bewerberinnen und Bewerber um Spitzenposten in der Fraktion. Allerdings haben die Grünen in der Opposition nur wenige Jobs zu vergeben, wie sich aktuell auch am Streit um den Sitz im Präsidium des Bundestags zeigt. Den wollen sowohl Claudia Roth, Omid Nouripour und Katrin Göring-Eckardt. Auch Baerbock war für diesen Job gehandelt worden, ebenso wie für den Posten als Fraktionsvorsitzende.

Doch sie lehnte ab. In einem Brief an ihre grüne Fraktion schrieb Annalena Baerbock Anfang März, sie habe sich aus persönlichen Gründen entschieden, »erst einmal einen Schritt aus dem grellen Scheinwerferlicht zu machen und mich für kein führendes Amt in der Bundestagsfraktion zu bewerben«. Nun also doch Scheinwerferlicht, aber eben nicht im Bundestag. Als Präsidentin der Generalversammlung – übrigens nicht zu verwechseln mit dem Amt des Generalsekretärs, dem obersten Verwaltungsbeamten der UN – wird die Noch-Außenministerin Baerbock die Sitzungen der Versammlung leiten und organisieren. Zumindest wenn sie gewählt wird.

Das weitere Vorgehen sieht so aus: Im Mai soll Baerbock ihr Programm vorstellen, das noch die frühere Bewerberin Helga Schmid ausgearbeitet hat. Im Juni stellt sie sich zur Wahl, die aber als Formsache gilt. Antreten soll Baerbock den Job im September für ein Jahr.

Die Bundesregierung verteidigte die geplante Nominierung Baerbocks. »Sie ist hoch qualifiziert für diesen Job, sie ist hoch anerkannt«, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Baerbock selbst hat Völkerrecht studiert, was sie in der Vergangenheit gerne betonte. Gegenüber Robert Habeck sagte sie einst, er komme vom Hause her eher vom »Kühe melken. Ich komme eher aus dem Völkerrecht«.

»Männer, die früher mal was waren, fühlen sich berufen, eine kompetente Frau zu kritisieren«

Hebestreit ging auch auf die Kritik ein, Baerbock würde Schmid von ihrem Posten verdrängen. Ihre Nominierung sage nichts »über etwaige andere Bewerberinnen aus, die genauso anerkannt und auch qualifiziert sind«, sagte er. »Die Bundesregierung hat sich auch im Einvernehmen mit der künftigen potenziellen Bundesregierung verständigt, Frau Baerbock zu nominieren.«

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts ergänzte: »Es ist ein besonderes Zeichen, dass Deutschland hier die Außenministerin als Kandidatin nominiert.« Viele ihrer Vorgänger seien außerdem Regierungschef oder auch Außenminister gewesen. Man beweise damit die Bereitschaft, »auf hoher politischer Ebene Verantwortung für diese.s multilaterale System zu übernehmen« Noch deutlicher auf die Kritik von Heusgen und Gabriel reagierten die Grünen. Die Abgeordnete Katrin Uhlig schrieb auf der Plattform Bluesky: »Männer, deren Einschätzungen zu Russland und Putin – freundlich formuliert – immer wieder falsch waren, und die früher mal was waren, fühlen sich (warum eigentlich?) berufen, eine hoch kompetente Frau zu kritisieren.« (GEA)