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Aktuell Kommentar

Aufstand der Jusos: Demokratie ist kein Wunschkonzert

Warum GEA-Redakteur Ulrich Häring denkt, dass die Jusos angesichts des historisch schlechten Wahlergebnisses der SPD überzogene Erwartungen an die sozialdemokratische Handschrift im Koalitionsvertrag haben.

Philipp Türmer, Bundesvorsitzender der Jungsozialisten (Jusos), sieht den Koalitionsvertrag kritisch.
Philipp Türmer, Bundesvorsitzender der Jungsozialisten (Jusos), sieht den Koalitionsvertrag kritisch. Foto: Sebastian Willnow/dpa/Sebastian Willnow/dpa
Philipp Türmer, Bundesvorsitzender der Jungsozialisten (Jusos), sieht den Koalitionsvertrag kritisch.
Foto: Sebastian Willnow/dpa/Sebastian Willnow/dpa

REUTLINGEN. Die Tinte des neuen Koalitionsvertrages ist noch kaum getrocknet, da erheben sich bereits Stimmen des Widerstands aus den Reihen der Jusos. Insbesondere die Passagen zum Thema Migration stoßen in der SPD-Nachwuchsorganisation auf Ablehnung. Viele Jusos wollen ihre Zustimmung bei der Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag verweigern. Das ist ihr gutes Recht in diesem demokratischen Prozess.

Jusos von jugendlichem Idealismus geprägt

Eine gewisse Aufmüpfigkeit gehört sicherlich zum Wesenskern der Jungsozialisten. In ihrem jugendlichen Idealismus sehen sich viele ganz den ideologischen Grundpfeilern der Sozialdemokratie verpflichtet. Die geplante Zurückweisung von Migranten, selbst von solchen, die um Asyl bitten, stößt vielen Jusos sauer auf. Genauso kritisieren viele, dass es - Stichwort soziale Gerechtigkeit - die höhere Besteuerung der Wohlhabenden nicht in den Koalitionsvertrag geschafft hat. Aber Demokratie ist nun mal kein Wunschkonzert. Koalitionen erfordern eben Kompromisse. Den meisten SPD-Mitgliedern ist das glücklicherweise bewusst.

Verhandlungsposition nicht überstrapazieren

Angesichts des historisch schlechten Wahlergebnisses der SPD ist die sozialdemokratische Handschrift im Koalitionsvertrag stärker zu erkennen als ihr eigentlich zusteht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es aufgrund der Unvereinbarkeitsbeschlüsse der CDU mit AfD und Linken keine anderen Optionen auf eine Mehrheit im Bundestag gibt als ein Bündnis aus CDU und SPD. Es wäre jedoch fatal gewesen, die daraus resultierende starke Verhandlungsposition der Sozialdemokraten überzustrapazieren. Das Wahlergebnis war ein klares Votum für einen Politikwechsel - insbesondere beim Thema Migration. Ein »Weiter so« der sozialdemokratisch geprägten Ampel-Politik würde nur die politischen Ränder bei der nächsten Wahl weiter stärken. »Verantwortung für Deutschland« sieht anders aus. Zum Glück.

ulrich.haering@gea.de