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Angriff auf Iran: Israel will den Machtwechsel

Nahostkonflikt - Israel
Die Angriffe des Irans auf Israel gehen weter. Foto: Leo Correa/DPA
Die Angriffe des Irans auf Israel gehen weter.
Foto: Leo Correa/DPA

Die Raketen fliegen wieder im Nahen Osten. Und ein schnelles Ende des Konflikts ist nicht abzusehen. Dass Israel es ernst meint mit seinen Angriffen auf die Atomanlagen des Iran, daran lässt es keinen Zweifel. Die Bombardements sind hart, das Kernwaffenprogramm der Mullahs ist schon jetzt schwer getroffen. Doch der Regierung von Benjamin Netanjahu geht es um mehr. Die Operation »Rising Lion« will nicht nur die Forschungsstätten des Iran zerstören, sondern nimmt das Regime in Teheran direkt ins Visier, der Löwe brüllt nicht nur, er hat die Jagd eröffnet.

Öffentlich benennen muss Israel dieses Vorhaben nicht – sein Vorgehen spricht eine klare Sprache. Hochrangige Vertreter des iranischen Apparats wurden ausgeschaltet, weitere dürften auf der Abschussliste stehen. Netanjahu nutzt die Gunst der Stunde, die ihm das iranische Regime durch sein atomares Spiel mit dem Feuer selbst eröffnet hat: Nicht weniger als ein Ende der Mullah-Regierung ist das Ziel. Und tatsächlich müssen Ali Khamenei und seine Handlanger ihr Ende so sehr fürchten wie kaum jemals zuvor. Ihr Apparat steckt in einer historischen Krise. Doch für einen Abgesang ist es wohl noch zu früh.

Keine starke Opposition im Iran

Um zu sehen, wie schnell scheinbar unzerstörbare Systeme eben doch zerstört werden können, sollte den Herrschern aus Teheran ein Blick nach Syrien genügen. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied: In Syrien waren gewannen oppositionelle Kräfte die Oberhand – im Fall des Iran hat das Ausland den Finger am Abzug. Eine schlagkräftige politische Gegenbewegung gibt es nicht. Zwar lehnen sich die Iranerinnen und Iraner immer wieder gegen ihre Unterdrücker auf, doch es fehlt an einer politischen Figur, hinter der sie sich versammeln können. Stattdessen dienen die Revolutionsgarden und die Armee als wichtige Stützpfeiler, die die Mullahs schon mehr als einmal vor dem Untergang bewahrt haben.

Und Amerika? Selbst wenn Washington Israels Luftschläge unterstützt, ist es fraglich, ob Präsident Trump wirklich an einem Regimewechsel gelegen ist. Der Nahe Osten ist für ihn Schauplatz großer Geschäfte, Chaos – und das folgt nicht selten auf einen erzwungenen Umbruch – ist dem eher abträglich. Seine Bereitschaft, Amerika in einen neuen Krieg mit ungewissem Ausgang zu schicken, dürfte zudem überschaubar sein. Dass Trump Israel ausdrücklich gewarnt haben soll, Ajatollah Khamenei zu eliminieren, spricht jedenfalls dafür, dass es im Weißen Haus rote Linien gibt.

Neue Machtverhältnisse

Verschoben haben sich die Strukturen in der Region aber dennoch. Das macht die Lage so unvorhersehbar. Der Iran hat an Autorität verloren. Wie leicht es für Israel ist, die dortige Luftabwehr zu überwinden, ist für das Regime blamabel. Weggefallen sind zudem jene Handlanger, die sich im Ernstfall noch immer die Finger schmutzig gemacht haben: Sowohl die Hisbollah als auch die Huthi, beide wichtige Verbündete von Teheran, wurden von der israelischen Armee in den letzten Monaten empfindlich geschwächt. Von der »Achse des Widerstands«, die sich die Auslöschung Israels auf die Fahnen geschrieben hatte, ist nicht mehr übriggeblieben als ein gerupfter Haufen von Maulhelden.

Die Frage ist, was aus dieser brisanten Gemengelage erwächst. Wird die iranische Regierung unter dem Druck der Israelis einlenken und Zugeständnisse im Atomprogramm machen? Oder muss das Regime nun erst recht seine Handlungsfähigkeit demonstrieren und zurückschlagen? Oder wird die Mullah-Regierung stabilisiert, weil der Angriff von außen die Menschen im Innern zusammenschweißt? Sicher ist im Nahen Osten leider nur eins: Alles ist möglich. Und Gründe für Euphorie sind ein rares Gut.

 

politik@gea.de