LONDON. Seufzer der Erleichterung in London: Es hätte schlimmer kommen können. Die von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle für Warenimporte in die USA fallen für Großbritannien mit zehn Prozent vergleichweise glimpflich und um die Hälfte niedriger aus als für EU-Einfuhren, die bei 20 Prozent liegen. Das Buhlen von Premierminister Keir Starmer um die Gunst von Donald Trump zahlt sich aus. Er hatte erfolgreich eine persönliche Beziehung zum Disruptor im Weißen Haus aufbauen und Trump mit der Aussicht eines Staatsbesuches inklusive Empfang durch König Charles III. gnädig stimmen können. Außerdem hilft es Brexit-Britannien, dass man nach dem Austritt aus der EU unabhängig vom Handelsblock geworden ist.
»Niemand gewinnt in einem Handelskrieg«
An den von der EU geplanten Vergeltungsmaßnahmen will London sich nicht beteiligen. »Niemand gewinnt in einem Handelskrieg. Das ist nicht in unserem nationalen Interesse«, sagte Premier Starmer vor Wirtschaftsvertretern in der Downing Street. Gleichwohl behält man sich vor, gegebenenfalls mit Gegenzöllen zu reagieren. »Wir haben eine Reihe von Hebeln zur Verfügung«, so Starmer, »nichts ist vom Tisch.« Man werde einen »kühlen Kopf« bewahren und Pragmatismus üben. Die Botschaft ist klar: Das Königreich verbleibt im beginnenden globalen Handelskrieg vorerst an der Seitenlinie. Man hatte ja auch, im Unterschied zur EU, keine Vergeltungsmaßnahmen erwogen, als Trump im März Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte erhob.
Denn Großbritannien setzt darauf, mit den USA in Bälde ein Abkommen abschließen zu können, das Starmer einen »wirtschaftlichen Wohlstands-Deal« nennt und das zu einer Verringerung oder Abschaffung der Einfuhrzölle führen soll. Seit dem Besuch Starmers in Washington Ende Februar haben britische und amerikanische Unterhändler intensiv daran gearbeitet. London wäre dem Vernehmen nach bereit, eine Steuer für Digitaldienste, die vor allem US-Tech-Giganten wie Apple oder Amazon betrifft, auszusetzen oder zu modifizieren. Auch Konzessionen bei der Regulierung von sozialen Medien oder bei der künstlichen Intelligenz sind im Gespräch. Allerdings haben britische Unterhändler klargestellt, dass man beim Importverbot für Hormon-Rindfleisch und Chlor-Hühnchen hart bleiben werde.
»Ich will diese Handelsbarrieren vollständig beseitigen«
Wirtschaftsminister Jonathan Reynolds unterstrich gegenüber Times Radio nochmals, dass man »die Leute ignorieren muss, die einen großen Handelskrieg anzetteln wollen«. Stattdessen ginge es jetzt darum, schnell einen Deal zu finden: »Wir müssen unsere Ärmel hochkrempeln«, sagte er, »ich will diese Handelsbarrieren vollständig beseitigen.« Einen Ausweg zu finden sei im nationalen Interesse und »könnte vielleicht gleichzeitig eine Mustervorlage für andere Länder bieten, auf diese Zölle zu reagieren«. (GEA)