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Ahrtal-Landrat: Doch noch ein Schuldiger

Strafrechtlich ist der Landrat des Ahrtals unschuldig, beamtenrechtlich aber schuldig. Warum das so ist, erklärt GEA-Redakteur Martin Zimmermann.

Eine Luftaufnahme des Dorfes Insul zeigt das Ausmaß der Flutzerstörungen vom 14. und 15. Juli 2021 an der Ahr.
Eine Luftaufnahme des Dorfes Insul zeigt das Ausmaß der Flutzerstörungen vom 14. und 15. Juli 2021 an der Ahr. Foto: Boris Roessler/dpa
Eine Luftaufnahme des Dorfes Insul zeigt das Ausmaß der Flutzerstörungen vom 14. und 15. Juli 2021 an der Ahr.
Foto: Boris Roessler/dpa

REUTLINGEN. Ein Landrat hat bei der Flutkatastrophe im Ahrtal »gravierend gegen beamtenrechtliche Pflichten verstoßen«. Er hätte früher den Notstand ausrufen und evakuieren müssen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Ermittlungsbericht im Disziplinarverfahren. Der Bericht widerspricht der Entscheidung der Staatsanwaltschaft von vor einem Jahr. Diese hatte entschieden, den Politiker nicht anzuklagen. Sie befand, es sei nicht nachgewiesen worden, dass ein anderes Verhalten des Politikers einige der 135 Todesopfer gerettet hätte. Während der Politiker um eine Geld- oder Haftstrafe herumkommt, kann ihm nun das Ruhestandsgehalt aberkannt werden.

Der Widerspruch zwischen dem Ergebnis des Strafverfahrens und des Disziplinarverfahrens ist für Außenstehende schwer zu verstehen. Entweder ist jemand schuldig oder unschuldig, denkt man. Doch so einfach ist es nicht. Wer als zuständiger Beamter verantwortlich, aber nicht erreichbar war und falsche Entscheidungen getroffen hat, hat keine Straftat begangen, aber er hat seine Dienstpflicht verletzt.

Bei einer Katastrophe mit vielen Todesopfern will die Öffentlichkeit Schuldige sehen. Doch auch wenn nach der Ahrtal-Katastrophe bereits mehrere Politiker zurücktraten, ist es nicht so einfach. Katastrophenwarnungen werden häufig so lange nicht ernst genommen, bis es zu spät ist. Wenn wenig passiert, werden überzogene Maßnahmen kritisiert. Wenn dann aber doch etwas passiert, dann gilt es einen Verantwortlichen zu bestrafen. Das macht die Opfer aber nicht wieder lebendig.

martin.zimmermann@gea.de