Der langjährige Theaterintendant Ulrich Khuon hat für mehr Gelassenheit und Dialogbereitschaft in aktuellen Debatten plädiert. Die Gesellschaft erlebt er als gereizt. »Die Themen werden in einer Dramatik diskutiert, wo ich dann oft sagen würde: 'Wir machen es jetzt mal so. Und dann gucken wir in zehn Jahren. Wir vertrauen dem Prozess'«, sagte Khuon der Deutschen Presse-Agentur. »Ich muss nicht heute die endgültige Antwort haben.«
Khuon verabschiedet sich nach 14 Jahren als Intendant des Deutschen Theaters in Berlin. Nach Stationen in Hannover und Hamburg hatte er den Posten 2009 übernommen. In Zukunft soll er die Interimsintendanz 2024/2025 am Schauspielhaus Zürich übernehmen.
Für die Gesellschaft wünscht er sich mehr Bereitschaft zuzuhören. »Man muss Gegensätze diskutieren dürfen, aber man muss nicht immer gleich das Gefühl des Weltuntergangs haben, wenn das und das passiert«, sagte der 72-Jährige. Die Bereitschaft, grundsätzlich zuzuhören, sei nicht so ausgeprägt, sondern es gebe eine starke Blockbildung. »Manchmal denkt man: Jede Seite macht zu wenig auf. Und da ist das Dritte, die Kunst, gut.«
Über »Bescheidwisserei«
Ein Thema, das in den vergangenen Jahren öfter diskutiert wurde, ist das Gendern. Khuon bemüht sich darum und spricht bei manchen Wörtern ein »*innen« mit Pause. Zur Frage, warum er sich dafür entschieden hat, sagte er: Er als Mann könne nicht sagen, das generische Maskulinum habe es schon immer gegeben und Frauen und alle anderen Geschlechter seien mitgemeint.
»Es gilt: Das Gegenüber bestimmt, was ankommt. Und da hat natürlich auch mein Umfeld hier dazu beigetragen«, erzählte Khuon im Gespräch. Sie hätten zum Beispiel eine queere Arbeitsgruppe am Haus und von dieser habe er sehr viel gelernt. »Ich habe in meinem eigenen Leben so viel Bescheidwisserei produziert, dass ich immer sagen würde: 'Üben zuzuhören.'«
»Also die Sprache ist wichtig, weil sie natürlich auch etwas erzählt über meine Haltung, aber die Haltung selbst ist trotzdem noch wichtiger«, sagte Khuon. Es sei auch eine Gefahr, dass man auf der sprachlichen Ebene immer super korrekt sei, dann aber ganz anders denke und handle. »Deswegen finde ich: Wie wir Menschen begegnen, ist das Entscheidende. Aber wie wir sprechen, sagt schon auch etwas darüber aus, wie wir ihnen begegnen wollen.«
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