Der Antisemitismus-Eklat bei der documenta fifteen schlägt weiter hohe Wellen. So kritisierte der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, den Umgang der documenta-Leitung mit Vorwürfen als »verheerend« und forderte Konsequenzen.
Dagegen rief das documenta-Forum - eine Art Freundes- und Unterstützerkreis der Weltkunstschau - die Verantwortlichen in Kassel sowie beim Bund und Land Hessen zu einer Fehleranalyse und zum Dialog auf.
Kein Verantwortlicher kam zum Kulturausschuss
»Dass die Unterstützungsangebote des Landes Hessen und des Bundes zur Veränderung der Strukturen insbesondere im Hinblick auf die internationalen Auswirkungen ausgeschlagen wurden, ist völlig unverständlich«, sagte Klein der Funke Mediengruppe. Auch die mangelhafte Kooperation mit dem Direktor der Bildungsstätte Anne Frank (Frankfurt am Main), Meron Mendel, zeige, dass »die documenta-Leitung letztlich nicht an einem ernsthaften Dialog interessiert ist«, sagte Klein. »Es zeugt zudem von mangelndem Respekt gegenüber dem Deutschen Bundestag, dass keine der verantwortlichen Personen vor dem Kulturausschuss erschienen ist und sich den berechtigten Fragen der Parlamentarier gestellt hat.«
Er habe »Verständnis dafür, dass sich inzwischen Kulturschaffende und -interessierte von der documenta abwenden«. Klein hofft, »dass dies nun endlich dazu führen wird, den Skandal adäquat aufzuarbeiten und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen«.
Die documenta fifteen in Kassel war am Freitag vom nächsten Eklat erschüttert worden - zwei wichtige Akteure zogen sich zurück. So gab zunächst der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank bekannt, er stehe der wegen antisemitischer Darstellungen heftig kritisierten Schau nicht länger beratend zur Seite. Später erklärte die deutsche Künstlerin Hito Steyerl ihren Rückzug von der Ausstellung.
Das documenta-Forum räumte derweil ein, die Kunstschau sei zu Recht für die antisemitischen Elemente kritisiert worden. »Der Schaden, welcher der documenta damit zugefügt wurde, ist erheblich«, erklärte das Forum am Montag in Kassel. »Leider haben eine Reihe Kasseler, Wiesbadener und Berliner Debatten der letzten Tage eher verstört, statt Klarheit zu schaffen. Statt eines orientierenden Dialogs der wichtigen Institutionen und der demokratischen Parteien war er eher von punktuellen Selbstdarstellungen und Betonierungen der jeweils individuellen Position geprägt.«
Auch die Freiheit der Kunst hat Grenzen
Man bedauere, dass die Bitte des Kuratoren-Kollektivs Ruangrupa um Entschuldigung »und ihre nachdenkliche, ernsthafte und reflektierende Haltung, eventuell inkriminierte Exponate zurückzunehmen, nahezu wirkungslos« geblieben sei. Mehr als 1500 Künstler seien Gäste Kassels. »Sie haben es nicht verdient, unter Generalverdacht gestellt zu werden«, erklärte das Forum. »Sie zeigen uns eine andere Sicht auf die Kunst der Welt, das sollten wir wertschätzen und sie hier nach wie vor willkommen heißen.«
Im Kern gehe es bei der Auseinandersetzung um die Freiheit der Kunst, die wie jede Freiheit ihre Grenzen habe und ohne Verantwortung nicht zu haben sei. Man respektiere die selbstkritische Sicht der documenta-Verantwortlichen. »Ihre aufreibende Arbeit darf – gerade auch unter Corona-Bedingungen – nicht in Bausch und Bogen verurteilt werden«, hieß es. »Statt jetzt vordringlich nach personellen Konsequenzen zu rufen, sollte eine Fehleranalyse erstellt werden.« Angesichts der weit über Deutschland hinausreichenden Bedeutung der Ausstellung wäre zudem »dringend zu wünschen, dass die Verantwortlichen in Kassel, Wiesbaden und Berlin mehr miteinander als übereinander sprächen«.
Kurz nach der Eröffnung der Schau, die neben der Biennale in Venedig als wichtigste Ausstellung für Gegenwartskunst gilt, war eine Arbeit mit antisemitischer Bildsprache entdeckt worden. Das Banner »People's Justice« des indonesischen Kunstkollektivs Taring Padi war daraufhin abgehängt worden. Die Organisatoren der Ausstellung hatten als Konsequenz unter anderem angekündigt, alle weiteren Werke auf antisemitische Inhalte zu prüfen.
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