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Roth will Antisemitismus im Kulturbetrieb bekämpfen

Die Kulturstaatsministerin hat Ideen, wie Antisemitismus entgegengewirkt werden könnte. Ob sie bei der Berlinale-Gala hätte einschreiten sollen? Mit dieser Vorstellung tue sie sich »sehr schwer«.

Claudia Roth
Claudia Roth, die Staatsministerin für Kultur und Medien, am Eröffnungsabend der Berlinale. Foto: Monika Skolimowska/DPA
Claudia Roth, die Staatsministerin für Kultur und Medien, am Eröffnungsabend der Berlinale.
Foto: Monika Skolimowska/DPA

Kulturstaatsministerin Claudia Roth sieht nach den israelkritischen Äußerungen während der Berlinale-Gala weiter Handlungsbedarf. »Wir müssen Antisemitismus im Kulturbetrieb noch viel wirkungsvoller entgegentreten«, sagte die Grünen-Politikerin dem Magazin »Der Spiegel«. Ein möglicher Weg seien Codes of Conduct der Einrichtungen. »Es geht um die Frage, wo die Kunstfreiheit endet, wenn sie die Würde des Menschen verletzt.« Aus Sicht Roths reichen solche Verhaltensregeln allein nicht aus. Sie müssten mit Weiterbildungen und Sensibilisierungen etabliert und in der Tagespraxis gelebt werden. »Das ist ein Prozess, der leider nicht von heute auf morgen passiert.«

Roth ist selbst in der Kritik. Sie saß während der Gala ebenso im Saal wie Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner und Kultursenator Joe Chialo (beide CDU). Von allen gab es erst deutlich später Kritik an den einseitigen israelkritischen Äußerungen einiger Filmschaffender bei der Gala. Der Bund ist Träger der Berlinale, Berlin beteiligt sich an der Finanzierung. Nun sagte Roth: »Ich tue mich sehr schwer mit der Vorstellung, dass bei einem internationalen Filmfestival, einer Kulturveranstaltung, bei der die Berlinale die Gastgeberin ist, Vertreterinnen und Vertreter von Bund und Land und damit des Staates intervenieren.«

Bessere Vorbereitung

Roth betonte, zur Kunstfreiheit gehöre kuratorische Verantwortung, die entsprechend ausgefüllt werden müsse. »Wir haben im Vorfeld immer wieder darauf hingewiesen: Was könnte vor oder auf der Bühne passieren? Was tun Sie, wenn bestimmte Sachen gesagt werden? Die Berlinale-Leitung und die Moderatorin konnten sich ja auch darauf vorbereiten, wer die Preise bekommen wird.«  

Die Grünen-Politikerin kündigte erneut eine umfassende Aufarbeitung an. Der Aufsichtsrat der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin (KBB), zu denen die Berlinale gehört, soll sich damit befassen. Sie habe eine Sondersitzung einberufen, sagte Roth. Nach dpa-Informationen kommt das Gremium am 11. März zusammen. 

Zu dem Treffen wird auch die Festivalleitung erwartet. An der Spitze stehen derzeit noch Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian, im April übernimmt Tricia Tuttle die Leitung. Mit Tuttle will Roth kommende Woche notwendige Veränderungen besprechen.  

Aufgeheizte Stimmung gefährlich 

»Es ist bitter, dass die missglückte und zum Teil unerträgliche Preisverleihung jetzt die ganze Berlinale überschattet«, sagte Roth. Sie bedauerte auch die Form der Auseinandersetzung, es gehe nur noch um Schwarz und Weiß, Freund und Feind. »Die Räume dazwischen gehen verloren, man hört sich nicht mehr gegenseitig zu.« Wirklich gefährlich sei diese aufgeheizte Stimmung vor allem für die Jüdinnen und Juden. 

Der Kampf gegen Antisemitismus darf nach den Worten von Roth nicht dazu führen, »dass der Staat in eine Rolle kommt zu sagen, welche Kunst und Kultur sein darf und welche nicht«. Das Besondere an Kunst sei, das sie oft uneindeutig und sehr unterschiedlich interpretierbar sei. »Ich als Kulturstaatsministerin kann doch nicht sagen, welche Filme ich sehen will oder welches Bild ich gern abhängen würde.«

Während der Gala am Samstag war der Nahostkonflikt mehrfach thematisiert worden. Zahlreiche Mitglieder aus Jurys sowie Preisträgerinnen und Preisträger forderten verbal oder mit Ansteckern einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg. In Statements war die Rede von Apartheid im Zusammenhang mit der Situation in den von Israel besetzten Gebieten und von Genozid (Völkermord) mit Blick auf das Vorgehen der Armee in Gaza. Im Anschluss gab es Kritik bis hin zu Vorwürfen von Israelhass und Antisemitismus.

© dpa-infocom, dpa:240301-99-182308/3