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Regierungschef Wegner: Netrebko-Auftritt »sehr kritisch«

Die russische Sängerin Anna Netrebko ist an diesem Freitag in der Berliner Staatsoper Unter den Linden zu hören. Der Bürgermeister findet das sehr kritisch. Sein Kultursenator kündigt einen Boykott an.

Anna Netrebko
Steht wegen ihrer Haltung zum russischen Angriffskrieg in der Kritik: die russische Sopranistin Anna Netrebko. Foto: Luca Bruno/DPA
Steht wegen ihrer Haltung zum russischen Angriffskrieg in der Kritik: die russische Sopranistin Anna Netrebko.
Foto: Luca Bruno/DPA

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner sieht den geplanten Auftritt der österreichisch-russischen Sängerin Anna Netrebko an der Staatsoper Unter den Linden nach eigenen Worten »sehr kritisch«. Der CDU-Politiker verwies auf den »aufopferungsvollen Freiheitskampf« des ukrainischen Volkes gegen den russischen Angriffskrieg.

»In diesem Krieg verteidigt die Ukraine nicht nur ihre Freiheit und Demokratie, sondern auch unsere. Deshalb bedauere ich, dass eine internationale erfolgreiche Sängerin wie Anna Netrebko sich bis heute nicht klar und unmissverständlich von dem russischen Angriffskrieg und Putin distanziert hat«, sagte Wegner der Deutschen Presse-Agentur.

»Sehe diesen Auftritt in unserer Stadt sehr kritisch«

»Doch die Freiheit von Kunst und Kultur ist in unserem Land ein hohes Gut«, führte Wegner weiter aus. »Das gilt auch für alle Einrichtungen in Berlin und ihre Entscheidungen über ihr künstlerisches Programm.« Das sei ganz anders als Russland, wo die Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit schon lange mit Füßen getreten werde. »Gleichwohl will ich auch aus meiner persönlichen Meinung keinen Hehl machen: Ich sehe diesen Auftritt in unserer Stadt sehr kritisch.«

Die 51-jährige Netrebko ist an diesem Freitag an der Staatsoper Unter den Linden in Giuseppe Verdis »Macbeth« in der Rolle der Lady Macbeth besetzt. Weitere Auftritte sind in diesem Monat geplant. Dagegen gibt es Proteste unter anderem aus Wissenschaft und Kultur. Für Freitag ist eine Demonstration vor der Staatsoper angekündigt, sollten die Auftritte Netrebkos nicht abgesagt werden.

»Meine ganze Solidarität und die Solidarität der ganzen Stadt gilt der Ukraine und ihren tapferen Bürgerinnen und Bürgern«, sagte Wegner. »Deshalb ist es für mich eine große Ehre, am Donnerstag den Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, empfangen zu dürfen und eine Städtepartnerschaft mit der ukrainischen Hauptstadt Kiew zu schließen.«

Kultursenator mit Boykott

Berlins Kultursenator Joe Chialo will die Auftritte Netrebkos boykottieren. »Ich habe mich entschieden, keine der Aufführungen zu besuchen«, sagte der CDU-Politiker. Chialo werde sich am Freitag gemeinsam mit dem ukrainischen Botschafter Oleksii Makeiev die Fotoausstellung »Russian War Crimes« ansehen.

"Anna Netrebko ist zweifellos eine herausragende Sopranistin, deren Talent auf der Opernbühne bewundert wird", sagte Chialo. "Es ist bedauerlich, dass sie sich nicht klar und unmissverständlich vom russischen Regime im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine distanziert hat." Gleichzeitig sagte Chialo: "Die Kunst ist frei, und unsere Einrichtungen haben das Recht, in der Gestaltung ihrer Programme eigene Entscheidungen zu treffen.

Aus Sicht der Staatsoper ist es wichtig, differenziert zwischen vor und nach dem Kriegsausbruch zu unterscheiden. Netrebko habe sowohl durch ihr Statement als auch durch ihr Handeln seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine eine klare Position eingenommen und sich distanziert, das gelte es anzuerkennen. »Ohne eine deutliche Positionierung der Künstlerin war und wäre eine weitere Zusammenarbeit für die Staatsoper Unter den Linden nicht tragbar.«

© dpa-infocom, dpa:230912-99-169806/2