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Pyrotechnik gegen Gewitter - Rammstein zurück auf der Bühne

Drei Jahre Corona-Pause legte Rammstein ein. Die Zeit hat für ein neues Album der Band gereicht. Auch die frischen Songs werden zum Tourauftakt gefeiert. Doch da liegt etwas Wehmut in verbrannter Luft.

Till Lindemann
Musste seine Show kurz unterbrechen: Der Sänger der deutschen Rockband Rammstein Till Lindemann. Foto: Marina Lystseva
Musste seine Show kurz unterbrechen: Der Sänger der deutschen Rockband Rammstein Till Lindemann.
Foto: Marina Lystseva

Es ist ein Kampf zwischen Naturgewalten und Pyrotechnik. Dem Feuerzauber auf der Rammstein-Bühne in Leipzig setzten dicke Wolken zum Deutschland-Auftakt am Freitagabend mitten im Konzert Blitze, Donner und Regengüsse entgegen.

30 Minuten lang sichert sich das Unwetter das Recht des Stärkeren und sorgt für eine Auszeit. »Das ist das erste Mal in der Rammstein-Geschichte, dass wir die Show wegen Regen unterbrechen müssen«, scherzt Gitarrist Richard Kruspe (54) backstage. Doch dann beherrschen wieder harte Rammstein-Riffs das Stadion. 40 000 begeisterte Fans - ein großer Teil von ihnen nun klatschnass - feiert die Berliner Band.

22 Songs

Sie sind eine eingeschworene Gemeinde, viele sichtlich mit der Band gealtert. Kaum jemand hat hier kein Rammstein-Shirt übergezogen. Textkenntnis ist Ehrensache. Wenn Sänger Till Lindemann an einschlägigen Stellen aussetzt, ist ein tausendstimmiger Chor zu hören.

22 Songs haben Lindemann, die Gitarristen Kruspe und Paul Landers (57), Bassist Oliver Riedel (51), Keyboarder Christian »Flake« Lorenz (55) und Schlagzeuger Christoph Schneider (56) in der gut zweistündigen Show bereit. Rammstein-Klassiker wie »Sonne«, »Du hast« oder »Ich will« sorgen für ekstatische Ausbrüche auf den Rängen. Andere werden für die Effekte gefeiert. Etwa, wenn Lindemann bei »Pussy« die ersten Fan-Reihen vor der Bühne mit Schaum eindeckt oder der Sänger im Kannibalismus-Song »Mein Teil« den in einem Kessel hockenden Keyboarder Lorenz mit Flammenwerfern malträtiert.

»Armee der Tristen« als Opener

Die Show will Rammstein bei der zweimal coronabedingt verschobenen Tour nun 42 Mal bei Konzerten in Europa und Nordamerika zeigen. Beim ersten Teil besuchten 2019 mehr als eine Million Fans die 30 Konzerte, davon zehn Auftritte in Deutschland. Für das neue Material musste auf der Setlist Platz geräumt werden. Vier Lieder haben es ins Programm geschafft vom neuen Album »Zeit«, das Rammstein mit Erscheinen in April umgehend auf Platz eins der Charts katapultierte.

Die »Armee der Tristen« etwa, der Song eröffnet den Abend. Die Traurigen marschieren im Gleichschritt gegen Glück hinein in gemeinsame Tristesse, dazu verdunkeln schwarze Rauchsäulen das Stadion. Auch der Einsatz von Effekten und Pyrotechnik hat Rammstein bekannt gemacht. Was da an einem Konzertabend abgefackelt wird, kann sich messen mit einem Silvesterfeuerwerk am Brandenburger Tor. Es donnert, kracht, blitzt und explodiert an allen erdenklichen Stellen des monströsen Bühnenaufbaus. Dabei geht es um mehr als ödes Geböller. Wenn Lindemann »Mein Herz brennt« singt, dann fackelt ein Bengalo an seiner Brust.

Feuersäulen und harte Riffs

Bei Rammstein folgen Pyrotechnik und Effekte einer ausgefeilten Choreographie. Hohe Feuersäulen tanzen zu harten Gitarrenriffs, Böller markieren Brücken in den Songs, Strahler aus der Lichtwand unterstreichen die Taktvorgaben von Schneider und Riedel. Die Band verzichtet inzwischen weitgehend auf Lichtdome, die an Nazi-Ästhetik à la Leni Riefenstahl denken lassen. Solche Parallelen hat die Band früher in Verruf gebracht. Darauf antworten die Musiker auch an diesem Abend mit dem Song »Links 2-3-4« - im Lied ist das dort, wo das Herz schlägt.

Den Abschluss nach zwei Zugabe-Sets hat die Band dem neuen Song »Adieu« reserviert. Zeilen wie »Adieu, Goodbye, Auf Wiedersehen / Den letzten Weg musst du alleine gehen« klingen nach wehmütigem Ende. Das Binnenklima bei Rammstein gilt als kompliziert. »Ein letztes Lied, ein letzter Kuss / Kein Wunder wird geschehen«.

Beim Schlussapplaus lassen sich die Musiker nach oben in den fast bis zum Stadiondach reichenden Bühnenturm fahren. Dort verschwinden sie hinter dem Rammstein-Logo. Lindemann hat zuvor eine Liedzeile in die Pluralform überführt: »Die Zeit mit euch war schön!«

© dpa-infocom, dpa:220520-99-373865/4