Alle fünf Jahre wird Kassel zum Mekka für Kunstfans. Am 18. Juni startet die 15. Ausgabe der 100 Tage währenden documenta, die neben der Biennale in Venedig als wichtigste Präsentation für Gegenwartskunst gilt. Bei einem Besuch lohnt sich auch ein Blick auf verbliebene Werke vorangegangener Ausgaben. Eine Auswahl:
Die documenta 6 im Jahr 1977 hat besonders viele Spuren in Kassel hinterlassen. Wobei man schon genau hinschauen muss, um den vertikalen Erdkilometer zu entdecken. Auf dem Friedrichsplatz nahe der Statue von Landgraf Friedrich II. ist von dem Werk des US-amerikanische Künstlers Walter De Maria nämlich nur eine kleinen Messingscheibe in einer Sandsteinplatte zu sehen. Der Rest, ein 1000 Meter langer Messingstab, wurde in die Erde eingelassen und bleibt dem Auge verborgen.
Der Rahmenbau der Künstlergruppe Haus-Rucker-Co hingegen ist weithin sichtbar. Die begehbare Plastik, die aus einer Rahmenkonstruktion besteht, der ein kleinerer Rahmen vorgehängt ist, befindet sich oberhalb der Gustav-Mahler-Treppe. Der Blick wird von dem großen durch den kleinen Rahmen geführt und auf die Orangerie in der Karlsaue fokussiert.
Immer samstags ziert die weltweit erste permanente Laser-Licht-Skulptur im öffentlichen Stadtraum den Kasseler Nachthimmel. Der grüne und rote Strahl des Laserscapes von Horst H. Baumann verbindet den Herkules, die Orangerie, das Hessische Landesmuseum und die Karlsaue und damit die wichtigsten historische Wahrzeichen der Stadt.
Zunächst umstritten, aber inzwischen nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken sind die 7000 Eichen von Joseph Beuys. Mithilfe freiwilliger Helfer pflanzte er im Laufe mehrerer Jahre 7000 Bäume an unterschiedlichen Standorten in Kassel - jeweils zusammen mit einem begleitenden Basaltstein. Dazu wurden 7000 Basaltstelen bis zu ihrem Einsatz auf dem Friedrichsplatz vor dem Fridericianum gelagert - sehr zum Ärger der Kasseler Bürger. Je mehr Bäume gepflanzt wurden, desto kleiner wurde die Stein-Plastik. Das Landschaftskunstwerk wurde der Öffentlichkeit auf der documenta 7 im Jahr 1982 vorgestellt und 1987 zur documenta 8 vollendet.
Ebenfalls 1982 platzierte Claes Oldenburg Die Spitzhacke am Ufer der Fulda nahe der Drahtbrücke. Das überdimensionierte Denkmal des Werkzeugs verweist auf Kassels Wiederaufbau. Nach Oldenburgs Worten hat der Herkules, der im Bergpark über Kassel thront, die Spitzhacke dorthin geschleudert.
Die Fremden auf dem Portikus des Modehauses SinnLeffers am Friedrichsplatz verkörpern seit der documenta 9 im Jahr 1992 Ausgrenzung und fehlende Integration. Ratlos und isoliert wirken die drei menschlichen Keramikfiguren unterschiedlicher ethnischer und geografischer Herkunft, die samt Gepäck auf dem Säulenportal des ehemaligen Roten Palais gestrandet sind. Mit niedergeschlagenen Augen blicken sie auf das Treiben auf dem Friedrichsplatz unter ihnen, ohne am städtischen Leben teilhaben zu können.
Scheinbar unaufhaltsam nach oben strebt Jonathan Borofskys Man Walking to the Sky, ebenfalls ein Relikt der documenta 9. Eine Männerfigur, von den Kasseler Bürgern als Himmelsstürmer bezeichnet, schreitet zügig und entschlossen auf einem Stahlrohr gen Himmel. 25 Meter lang ist das Rohr, der Neigungswinkel beträgt 63 Grad. Auf dem Vorplatz des Kulturbahnhofs Kassel ragt es 15 Meter in die Höhe.
Am Rande der Karlsaue nahe der Gustav-Mahler-Treppe lädt seit der documenta 13 im Jahr 2012 das Kunstwerk Idee di Pietra zum Spekulieren ein. Die als »Penone Baum« bekannte rund neun Meter hohe Skulptur des Künstlers Giuseppe Penone besteht aus einem Bronzeabguss eines Wallnussbaumes. Seine Äste sind stark gestutzt und in seiner Krone trägt er einen Granit-Findling. Wie bei der Frage nach dem Huhn und dem Ei bleibt auch hier offen, ob der Findling von dem Baum hochgedrückt worden oder der Stein vom Himmel gefallen ist.
Für gewaltigen Diskussionsstoff nach der documenta 14 vor fünf Jahren hat Olu Oguibes Das Fremdlinge und Flüchtlinge Monument gesorgt. Das Kunstwerk in Form eines Obelisken trägt in den vier in Kassel am häufigsten gesprochenen Sprachen Arabisch, Deutsch, Englisch und Türkisch die vergoldete Inschrift »Ich war ein Fremdling und ihr habt mich aufgenommen« - ein Zitat aus dem Matthäus-Evangelium. Während der documenta stand es auf dem Königsplatz. Nach dem Willen des nigerianisch-amerikanischen Künstlers Oguibe sollte es dort bleiben. Eine Mehrheit der Stadtverordneten lehnte das allerdings ab. Die Stadt entfernte das Mahnmal schließlich in einer unangekündigten Aktion vom Königsplatz und lagerte es auf einem Bauhof ein. Oguibe stimmte daraufhin der Versetzung des Obelisken an den von der Stadt vorgeschlagenen neuen Standort zu. Das Denkmal fand schließlich in der Treppenstraße seinen Platz.
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