Keine kann so gut trotzig sein wie die Schriftstellerin Ronja von Rönne (31). Folglich heißt ihr neues Buch »Trotz«. Entstanden ist ein Essay, der ganz anders ist, als es das Genre vermuten lässt. Leserinnen und Leser erwartet keine langwierige wissenschaftliche Arbeit, sondern von Rönnes persönlichstes Werk.
Sie durchleuchtet nicht nur ihren eigenen Trotz, sondern auch den der anderen. Und am Ende steht die Frage: Sollen wir nun trotzig sein oder nicht?
»Ich wollte auf gar keinen Fall noch einen Roman schreiben in nächster Zeit«, sagt die in Berlin lebende Autorin im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Einen Roman zu schreiben, sei etwas für geduldige Schreiber - also nicht für sie. Erst im vergangenen Jahr veröffentlichte sie ihren Roman »Ende in Sicht«, der von zwei Frauen mit Todeswunsch erzählt. Das Buch wurde zum gefeierten Bestseller.
Lebenskrisen und Selbstzweifel
Jetzt habe sie aber lieber ein kleines, unauffälliges Buch schreiben wollen. Ganz geklappt hat das nicht. Auf 112 Seiten erzählt sie von Lebenskrisen und Selbstzweifeln - und von ihrem besten Freund Martin, der aus Trotz seine Diabetesmedikamente nicht nimmt und deshalb ein Bein verliert.
Ihm ist das Buch gewidmet. »Ich weiß nicht, ob ich es hätte schreiben können, wenn Martin tatsächlich gestorben wäre«, so Ronja von Rönne. Sie habe ihm gesagt, er müsse bitte bis zur Veröffentlichung am Leben bleiben, sagt sie und lacht. Es sind Sätze wie diese, für die ihre Fans sie schätzen. In jedem Trübsinn findet Rönne Humor, mal bissig, immer pointiert. Das Eigenwillige zeichnet sie aus.
Den Großteil von »Trotz« habe sie in den letzten zwei Wochen vor Abgabe geschrieben. Bei jedem Buch rufe sie ihre Lektorin an und sei kurz davor, es abzusagen. »Dann heißt es, ich muss den Vorschuss zurückzahlen. Und dann schreibe ich es doch.«
Bekannt wurde Rönne als schnoddrigste Stimme ihrer Generation. Mit ihrem Blog »Sudelheft« trat sie auf den Plan. Mit einer umstrittenen Feminismus-Kolumne sorgte sie für Aufregung. Inzwischen hat sie drei erfolgreiche Bücher veröffentlicht und eine Philosophie-Sendung bei Arte moderiert.
Popstar der deutschen Literaturwelt
In Talkshows ist sie gern gesehen. Mehr als 100.000 Menschen folgen ihr in den sozialen Netzwerken. Ronja von Rönne ist so etwas wie der Popstar der deutschen Literaturwelt. »In der Literatur bist du mit 40 noch jung. Das finde ich ganz sympathisch«, sagt Rönne. Als Sprachrohr der jungen Generation sehe sie sich aber nicht. »Die Gen Z ist jung, ich bin 31.«
In ihrem neuen kurzweiligen Werk schreibt sie über Ereignisse, die sie längst hinter sich hätte haben wollen. Einmal Tabula rasa machen, sagt sie. »Wenn ich schon so viel Bullshit erlebe, sollte es wenigstens für etwas gut sein.« Die Rede ist auch von einer umstrittenen Kolumne, die Ronja von Rönne im Alter von 23 Jahren schrieb.
Mit »Warum mich der Feminismus anekelt« polarisierte und provozierte sie. Ein Shitstorm brach über Ronja von Rönne herein, sie brauchte sogar Polizeischutz. »Dass ich da durchmanövriert bin, dass ich nicht aufgehört habe zu schreiben und zu veröffentlichen, sehe ich heute als Stärke«, sagt sie versöhnlich. »Der Text ist natürlich trotzdem eine Katastrophe.«
Depression und Scheidung
Ronja von Rönnes Stärke ist auch ihre Offenheit. Auf Instagram sprach sie offen über ihre Depression und feierte ihre Scheidung. Wir sollten das Scheitern mehr zelebrieren, findet sie. Es sei schließlich schon passiert und irgendwie müsse man ja weitermachen. »Spricht nichts gegen ein Glas Champagner dazwischen.«
Mittlerweile habe sie wieder einen Partner - ganz ohne Online-Dating. Das Problem: »Die Leute glauben nicht, dass ich das bin«, sagt sie. »Dann bekomme ich auf Instagram die ganze Zeit Nachrichten, dass da jemand meine Bilder klaut. Bitch, it’s me, I’m single!« Tindern fühle sich für sie aber ohnehin zu sehr nach Onlineshopping an. »Außer wenn du nur Sex haben willst, dann ist Tinder praktisch.«
Ronja von Rönne nimmt kein Blatt vor den Mund - und das vielleicht schon bald in einer neuen Rolle. Die 31-Jährige möchte sich als Schauspielerin versuchen. »Mittlerweile schreiben alle Schauspieler Bücher, da kann ich denen auch die Jobs wegnehmen«, sagt sie. Den Wunsch, sich der Schauspielerei zu widmen, habe sie schon lange.
Aber sie wolle auch weiter schreiben. Den Vertrag für ihr nächstes Buch habe sie bereits unterzeichnet, vielleicht werde es »Gift« heißen. Bevor sie 30 wurde, wollte sie drei Bücher veröffentlichen. Das hat sie geschafft. Wie es weitergehen soll? Ganz klar: »Vier bis 40, fünf bis 50 und sechs bis 60.«
- Ronja von Rönne, Trotz, dtv, München 2023, 112 Seiten, 15,00 Euro, ISBN: 978-3-423-28371-7.
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