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Literaturwelt feiert Sensation - Rilke-Nachlass nach Marbach

Nicht nur der »Panther« schafft es noch in manche Schulstunde. Texte von Rainer Maria Rilke gelten als Kulturerbe. Große Teile seines Nachlasses sind nun im Literaturarchiv Marbach.

Literaturarchiv Marbach
Das Deutsche Literaturarchiv Marbach. Foto: Sebastian Kahnert
Das Deutsche Literaturarchiv Marbach.
Foto: Sebastian Kahnert

Es sind viele Superlative zu hören, von »Sensation« ist die Rede und »unschätzbaren Werten«. Die Literaturszene und zugehörige Bereiche feiern einen spektakulären Deal: mit Hilfe öffentlicher und privater Gelder hat das Deutsche Literaturarchiv Marbach ein riesiges Konvolut mit Schriften und Materialien des Dichters Rainer Maria Rilke (1875-1926) erworben. Der Bestand wird damit besser zugänglich und wissenschaftlich neu erschlossen.

Zum konkreten Kaufpreis wollte Sandra Richter, Direktorin des Literaturarchivs in Marbach, am Donnerstag während der Präsentation in Berlin keine Angaben machen. Im Vertrag wurde Stillschweigen vereinbart. Richter sprach von einem »sensationellen Bestand« und »überwältigenden Nachlass«. Dies sei der letzte in privater Hand befindliche Nachlass eines wichtigen Autors der Moderne gewesen.

Rilke zählt neben Franz Kafka zu den weltweit wichtigsten deutschsprachigen Autoren der literarischen Moderne. Eines der bekanntesten Gedichte ist »Der Panther«, das neben anderen Texten Rilkes zum Unterrichtsmaterial vieler Schulen zählt: »Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe / und hinter tausend Stäben keine Welt.«

Auch unbekannte Zeichnungen

Mit dem Nachlass, der sich seit fast 100 Jahren in Privatbesitz befand, bekommt das Literaturarchiv in Baden-Württemberg mehr als 10.000 handschriftliche Seiten, etwa 8800 Briefe und gut 470 Bücher und Zeitschriften, 131 bisher unbekannte Zeichnungen Rilkes sowie etwa 360 Fotografien aus allen Lebensphasen. Der bisher als Gernsbach-Archiv bekannte Bestand wurde zuletzt von drei Urenkelinnen des Dichters in der baden-württembergischen Gemeinde betreut.

Richter kündigte an, das Material solle nach einer zunächst ein bis zwei Jahre währenden »Erschließung und Erforschung des fantastischen Bestands« digitalisiert werden. Eine erste Ausstellung auf Basis der Neuerwerbungen kündigte Richter für Ende 2025 zum 150. Geburtstag Rilkes an. Mit anderen großen Rilke-Beständen in der Schweiz, Frankreich und den USA werde eng zusammengearbeitet.

Richter und ihr Team gaben einen ersten Einblick in die Materialien. »Da bekommen Sie allergrößten Respekt, wenn Sie vor den Regalen stehen.« So lässt sich an den Texten zeigen, wie Rilke unter dem Einfluss seiner Fördererin und Geliebten Lou Andreas-Salomé unter anderem seine Handschrift änderte. Ein kreuz und quer beschriebenes Blatt enthält ganz unterschiedliche lyrische Ansätze zum Thema »Nacht«. Keines des Gedichte wurde je veröffentlicht. »Rilke war ein Arbeiter am mühevollen Text«, so Richter.

Auf den Pfaden von Rilke

Der Buchbestand, den er teilweise auch mit auf seine viele Reisen nahm, erlaubt etwa nachzuvollziehen, auf welchen Pfaden der Dichter bei einer Rom-Reise wandelte. Im Bestand findet sich auch die erste Fassung von Rilkes tagebuchartigem Roman »Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge«. Aus Marbacher Sicht hat Rilke »mit diesem Buch die deutsche Prosa revolutioniert«.

Die Übereignung ist nach den Worten von Kulturstaatsministerin Claudia Roth die »vielleicht wichtigste Nachlass-Erwerbung in der Nachkriegsgeschichte«. Unter den bedeutendsten Schriftstellerinnen und Schriftstellern des 20. Jahrhunderts gebe es ganz wenige, »die so tiefe und so bleibende Spuren hinterlassen haben wie Rainer Maria Rilke«, sagte die Grünen-Politikerin. Der einzigartige und wertvolle Schatz könne nun gehoben werden für die breite Öffentlichkeit.

Arne Braun, für Kunst zuständiger Staatssekretär in Baden-Württemberg, sprach von einem »unschätzbarer Wert«, der die einzigartige Stellung des Literaturarchivs unterstreiche.

Deutsches Literaturarchiv Marbach

© dpa-infocom, dpa:221201-99-741658/2