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Kritik an Claudia Roth wegen Berlinale

Der geplante Führungswechsel bei der Berlinale sorgt weiter für Wirbel. Nun wird Kulturstaatsministerin Roth international auch von bekannten Filmemachern kritisiert.

Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek
Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek, das scheidende Leitungs-Duo der Berlinale. Foto: Christoph Soeder/DPA
Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek, das scheidende Leitungs-Duo der Berlinale.
Foto: Christoph Soeder/DPA

Zahlreiche Filmschaffende haben Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) im Zusammenhang mit dem geplanten Führungswechsel bei der Berlinale kritisiert. Ihr Umgang mit dem bisherigen künstlerischen Leiter Carlo Chatrian sei »schädlich und unprofessionell«, hieß es in einem beim US-Fachblatt »Variety« veröffentlichten offenen Brief. Zu den mehr als hundert Unterzeichnenden gehörten unter anderem die Regisseure Martin Scorsese und Margarethe von Trotta.

»Carlo Chatrian mag kein Showmann sein, aber mit seiner ruhigen Art haben er und sein Team einen offenen und künstlerisch lohnenden kuratorischen Weg eingeschlagen, neue Richtungen im internationalen Kino aufzuzeigen, Stereotypen in Frage zu stellen und verschiedene Stränge des Filmemachens miteinander zu verbinden«, schrieben die Schauspieler und Filmemacher.

Trotz schwieriger Umstände wie die Pandemie oder finanzielle Einschränkungen seien die vergangenen Ausgaben unter seiner Leitung »sehr lebendig, voller positiver Überraschungen und trotz einer geringeren Anzahl gezeigter Filme sehr beliebt« gewesen.

Roth will Intendanzmodell einführen

Roth hatte vor rund einer Woche angekündigt, die Berlinale solle künftig nur noch von einer Person geleitet werden - statt wie bisher von einer Doppelspitze. Das bisherige Führungsduo aus Chatrian (51) und Mariette Rissenbeek (66) soll demnach von einem Intendanzmodell abgelöst werden.

Eine Findungskommission unter Roths Vorsitz soll die neue Intendantin oder den neuen Intendanten für eines der größten Filmfestivals der Welt bestimmen. Chatrian zog daraufhin Konsequenzen und kündigte an, das Festival nach der Ausgabe 2024 zu verlassen.

Harter Sparkurs

Chatrian sei für seine Bemühungen nicht belohnt worden und habe sich dazu gezwungen gesehen, nach dem Ende seines derzeitigen Vertrages nicht mehr weiterzumachen, hieß es in dem Brief weiter, den auch die Regisseurinnen Joanna Hogg, Claire Denis und der französische Regisseur Bertrand Bonello unterzeichnet hatten.

Roth bedauere sehr, dass Chatrian nun nicht mehr für eine Weiterarbeit bei der Berlinale zur Verfügung stehe, sagte ein Sprecher der Grünen-Politikerin. Roth habe aus Gesprächen den Eindruck gewonnen gehabt, »dass bei Herrn Chatrian Bereitschaft bestünde, mit einer neuen Intendanz das Gespräch aufzunehmen«.

Richtig und notwendig bleibe aus Sicht von Kulturstaatsministerin und Aufsichtsrat eine Neuaufstellung mit einer Intendanz, die sowohl die künstlerische Leitung und Verantwortung wie auch den geschäftlichen Bereich konsequent zusammendenke. »Das ist eine notwendige Korrektur gegenüber der vor fünf Jahren eingeführten Struktur.« Jetzt gelte es, gemeinsam die anstehende Berlinale zu einem Erfolg zu machen. »Dabei wird die Kulturstaatsministerin Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek und das ganze Berlinale Team unterstützen.«

Die Neuaufstellung in der Spitze ist nicht die einzige Veränderung - erst Mitte Juli war bekanntgeworden, dass das Festival vor einem harten Sparkurs steht: Die Gesamtzahl der Filme soll um fast ein Drittel reduziert, zudem sollen Sektionen gestrichen werden.

Die Berlinale zählt neben Cannes und Venedig zu den großen Filmfestivals - in diesem Jahr war etwa US-Schauspielerin Kristen Stewart Jurypräsidentin und Hollywoodstar Sean Penn hatte seinen Dokumentarfilm zur Ukraine in Berlin vorgestellt.

© dpa-infocom, dpa:230906-99-98492/4