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Klappe, die vorerst Letzte: Hollywood im Doppelstreik

Seit Wochen streiken die Drehbuchschreiber in den USA. Nun legen auch Zehntausende Mitglieder der Schauspieler-Gewerkschaft die Arbeit nieder - mit Folgen für Film und Fernsehen auf der ganzen Welt.

Streik in Los Angeles
Ein Demonstrant wählt während einer Kundgebung in Los Angeles sein Schild zum Streiken aus. Foto: Mark J. Terrill/DPA
Ein Demonstrant wählt während einer Kundgebung in Los Angeles sein Schild zum Streiken aus.
Foto: Mark J. Terrill/DPA

Schauspiel-Streik in Hollywood: Nachdem bei Verhandlungen mit dem Verband der TV- und Filmstudios AMPTP bis zum Erreichen einer Frist keine Einigung erzielt werden konnte, haben die Mitglieder der Schauspielgewerkschaft SAG-AFTRA nun offiziell ihre Arbeit niedergelegt. Der Streik begann laut SAG-AFTRA am Freitag um 00.01 Uhr Ortszeit in Los Angeles (09.01 MESZ).

Für die US-Unterhaltungsbranche ist das ein Doppelschlag, denn die Gewerkschaft schließt sich mit ihrer Pause den Drehbuchautoren an, die bereits seit dem 2. Mai streiken. In den USA können damit nun praktisch keine Filme und Serien mehr gedreht werden.

Welche Folgen hat der Streik für Film- und Serien-Fans weltweit?

Der Branchenseite »Entertainment Weekly« zufolge wird der neue Streik eher Auswirkungen auf die Filmbranche als auf TV-Produktionen haben. Wegen der anhaltenden Verhandlungen hatten einige große Firmen angekündigte Filmstarts bereits nach hinten verlegt, darunter sind Marvel mit neuen Superheldenfilmen zu »Captain America« oder »Blade«, Disneys Realverfilmung des Animationshits »Moana« (deutscher Titel: »Vaiana«) und die geplanten »Avatar«-Fortsetzungen. Weil Filme aber einen langen Produktions- und Marketingvorlauf haben, dürften sich die Folgen eines Streiks erst in einigen Monaten bemerkbar machen.

Das Schreiben und Drehen von Fernsehserien liegt dagegen wegen des Streiks der Drehbuchautoren ohnehin schon weitgehend auf Eis. Deren Gewerkschaft WGA hat außerdem bereits Unterstützung von Set-Mitarbeitern erhalten, so dass kein Drehbetrieb aufrecht erhalten werden konnte und Serien wie »Stranger Things« oder »Yellowjackets« aktuell nicht produziert werden. Zudem waren bereits die in den USA beliebten Late-Night-Shows von Moderatoren wie Jimmy Kimmel oder John Oliver seit Anfang Mai wegen des Streiks komplett ausgefallen.

Wer genau tritt jetzt in den Streik?

Die Schauspieler-Gilde SAG-AFTRA hat mehr als 160.000 Mitglieder, darunter Schauspieler für Film und Fernsehen, Stuntleute, TV-Journalistinnen und Moderatoren. Der Streik betrifft aber nur Schauspielende für Serien und Filme. Für sie ist die Mitgliedschaft in SAG-AFTRA häufig unabdingbare Voraussetzung, um in der US-Unterhaltungsbranche überhaupt an Schauspieljobs zu kommen, viele Produktionen schreiben sie sogar vor. Außerdem bringt SAG-AFTRA für sie Zugang zu Krankenversicherung und Altersvorsorge, zwei Aspekte, die in einer unsicheren Branche für viele extrem wichtig sind.

Der Streik ist verbindlich, die Schauspielerinnen und Schauspieler dürfen nun nicht mehr vor der Kamera arbeiten. Produktionen mit nicht-gewerkschaftlich organisierten Schauspielern könnten theoretisch weitergehen, aber SAG-AFTRA hat bereits angekündigt, bei künftigen Mitgliedsanträgen auch abzufragen, ob ein Kandidat zu den Streikbrechern zählte.

Was wollen die Schauspieler erreichen?

Die SAG-AFTRA-Mitglieder wollen im Wesentlichen das gleiche wie die Drehbuchautoren erreichen. Beide Kreativbranchen leiden darunter, dass mehr Filme und Serien produziert werden, aber die Budgets sinken und bei Serien oft weniger Folgen pro Staffel gedreht werden. Außerdem bringen Wiederholungen bei Streaminganbietern anders als im stationären Fernsehen geringere und von der Zuschauerzahl unabhängige Tantiemen. Zudem hatte SAG-AFTRA mitgeteilt, dass es eine »reale und unmittelbare Bedrohung« darstelle, wie animierte AI-Charaktere die Schauspielerei von Mitgliedern täuschend echt nachbilden könnten.

Anlässlich der Urabstimmung hatte SAG-AFTRA für die Mitglieder die Ziele der Verhandlungen umrissen und geschrieben: »Wir brauchen einen Vertrag, der unsere Vergütungspläne verbessert und die Mitglieder vor Einkommensverlusten durch Inflation und sinkende Tantiemen für Wiederholungen schützt, genauso wie vor dem ungeregelten Einsatz von AI und dem Vorschreiben von selbst aufzunehmenden Vorsprech-Videos.«

Wie kam es zur Streik-Entscheidung?

Rund 65.000 Mitglieder von SAG-AFTRA haben an der Urabstimmung am 7. Juni teilgenommen, 97,9 Prozent von ihnen sprachen sich für einen Streik aus. Danach gingen die Verhandlungen weiter - aber ohne Ergebnis.

Viel Aufsehen erregte auch ein Brief mit inzwischen mehr als 1000 oft sehr berühmten Unterschreibenden. Darin fordern die Stars die Gewerkschaft auf, unnachgiebig zu verhandeln. »Dies ist kein Zeitpunkt, um sich in der Mitte zu treffen«, heißt es in dem beim Branchenmagazin »Deadline« veröffentlichten offenen Brief. Unter anderem haben Meryl Streep, Jennifer Lawrence, Ben Stiller und Pedro Pascal diese Solidaritätsbekundung unterzeichnet.

Wie geht es jetzt weiter?

Hollywood und großen Film- und TV-Industrien in Städten wie New York droht jetzt der komplette Stillstand. Wie lange der anhalten wird, ist völlig unklar. Im Kräftemessen zwischen Schauspielerinnen und Schauspielern sowie Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren mit den großen Studios dürften hinter den Kulissen schon bald neue Verhandlungen anlaufen. Wie diese verlaufen werden, ist allerdings völlig unklar. Ein Streik der Schauspielerinnen und Schauspieler 1980 dauerte über drei Monate.

Hat es einen solchen Doppelstreik schon einmal gegeben?

Die Drehbuchbranche streikt häufiger, aber dass sowohl Schauspieler als auch Autoren gleichzeitig streiken, ist ungewöhnlich. Als wegweisend für die Branche gilt ein Streik 1960. Damals streikten die Autoren fünf Monate, die Schauspieler schlossen sich sechs Wochen lang an, um die Zahlung von Krankenversicherungs- und Rentenbeiträgen für die Mitglieder durch die Produktionsstudios zu erreichen. Als SAG-Vorsitzender verhandelte damals ein Mann, der später Präsident der USA werden sollte: Schauspieler Ronald Reagan.

© dpa-infocom, dpa:230714-99-397301/5