Nach dem Angriff auf den Schriftsteller Salman Rushdie hat der Iran jegliche Verstrickung in die Tat zurückgewiesen. »Es gibt keine Verbindung zwischen dem Iran und dem Täter«, sagte Außenamtssprecher Nasser Kanaani, wie die iranische Nachrichtenagentur Isna berichtete.
Rushdie habe mit seinem Werk nicht nur den Iran, sondern Muslime weltweit beleidigt, sagte Kanaani. »Rushdie selbst ist für den Anschlag verantwortlich.«
Ein Sprecher des britischen Premierministers Boris Johnson bezeichnete die Schuldzuweisung aus Teheran hingegen als »abstrus«. Der Anschlag auf Rushdie sei ein Angriff auf die Redefreiheit gewesen. Er fügte hinzu: »Die britische Regierung steht sowohl hinter ihm und seiner Familie als auch für die Redefreiheit auf der ganzen Welt ein.« Rushdie befand sich unterdessen auf dem Weg der Besserung.
Der britisch-indische Autor war am Freitag bei einer Veranstaltung im Westen des US-Bundesstaats New York von einem Mann angegriffen worden und wird seitdem in einem Krankenhaus wegen schwerer Stichwunden behandelt. Rushdie wird seit Jahrzehnten von religiösen Fanatikern verfolgt, zu dem Angriff hat die Polizei aber noch kein Tatmotiv bestätigt.
Iranische Führung in der Kritik
Neben dem mutmaßlichen Täter Hadi Matar steht zunehmend auch die iranische Führung in der internationalen Kritik. Wegen Rushdies Werks »Die satanischen Verse« aus dem Jahr 1988 hatte der damalige iranische Revolutionsführer Ajatollah Ruhollah Chomeini zur Tötung des Autors aufgerufen. Er warf Rushdie vor, in seinem Roman den Islam, den Propheten und den Koran beleidigt zu haben.
In dem Buch kommt unter anderem eine Figur vor, die dem Propheten Mohammed ähnelt. Die Kritik lautet, dass Rushdie den göttlichen Ursprung des Koran infrage stellte. Auf das Todesurteil folgten damals eine dramatische Flucht Rushdies und jahrelanges Verstecken. Seit mehr als 20 Jahren lebt er in New York.
Kontakt zu den iranischen Revolutionsgarden?
Das Internet-Portal Vice News berichtete am Sonntag unter Berufung auf Geheimdienstquellen aus Europa und dem Nahen Osten, Matar habe in sozialen Medien Kontakt zu den iranischen Revolutionsgarden gehabt. Es gebe aber keine Hinweise darauf, dass der Iran an der Organisation oder Durchführung des Angriffs beteiligt gewesen sei.
US-Außenminister Antony Blinken kritisierte den Iran in einer Mitteilung vom Sonntag. »Speziell staatliche iranische Einrichtungen haben über Generationen zu Gewalt gegen Rushdie aufgerufen, und staatliche Medien haben sich jüngst an dem Angriff auf sein Leben ergötzt«, hieß es dort. Dies sei »verachtenswürdig«. Die USA und ihre Partner stellten sich solchen Bedrohungen entgegen. Der britische Premier-Kandidat Rishi Sunak forderte Sanktionen gegen den Iran gefordert.
Aufsässiger Sinn für Humor ist intakt
Derweil war Rushdie trotz schwerer Verletzungen laut Angaben aus seinem Umfeld auf dem Weg der Besserung. »Trotz seiner schwerwiegenden und lebensverändernden Verletzungen bleibt sein üblicher kämpferischer und aufsässiger Sinn für Humor intakt«, schrieb sein Sohn Zafar Rushdie am Sonntag in einer Erklärung auf Twitter. Der 75-Jährige sei nicht mehr an ein Beatmungsgerät und eine zusätzliche Sauerstoffversorgung angeschlossen. Zudem habe er einige Worte sprechen können.
Der mutmaßliche Täter Matar schwieg bislang und ließ sich von seinem Pflichtverteidiger für »nicht schuldig« erklären. Ihm wurden laut Mitteilung der Polizei versuchter Mord zweiten Grades sowie Angriff mit einer tödlichen Waffe und der Absicht, eine Körperverletzung zu verursachen, vorgeworfen. Mord zweiten Grades ist ein eigenständiger Tatbestand im US-Rechtssystem zum Tod eines Menschen. Dafür können Angeklagte im Bundesstaat New York mit jahrelangen Haftstrafen belegt werden.
Genesungswünsche aus aller Welt
Prominente und Politiker weltweit hatten den Angriff mit deutlichen Worten verurteilt und Rushdie eine schnelle Genesung gewünscht. US-Präsident Joe Biden lobte, Rushdie habe sich nicht einschüchtern lassen und stehe für »wesentliche, universelle Werte« wie Wahrheit, Mut und Widerstandsfähigkeit.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte mitgeteilt: »Wer diesen Mordanschlag nun auch noch rechtfertigt, verbreitet nichts anderes als Hass und Extremismus. Wer an ein friedliches Zusammenleben glaubt, muss sich dem klar und konsequent entgegenstellen.« Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bei Twitter geschrieben: »Was für eine abscheuliche Tat!«.
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